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Die Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung des Johannes gehört wohl nicht in das Neue Testament. Da bin ich mir mit der Syrisch-Orthodoxen Kirche einig. Das Thema hat der Prophet Johannes, der tief Schauende, in seiner Vision wohl richtig erkannt. „Babel“, das irdisch-materielle Ego, kann nicht bestehen. Es wird gehen müssen. Im Tod des Einzelwesens und auch in letzter Konsequenz für alles Seiende. Der göttliche Plan sieht das Ende der Materie irgendwann vor. Am Ende eben. Des Lebens. Des Seins. Die Details der Vision des Johannes entspringen aber seinem leidenden Ego, seinem schmerzerfüllten materiellen Verstand, der die Möglichkeit zur Beendigung seiner Pein und seiner Qual nur im Quälen und Vernichten seiner Peiniger durch eine Strafe Gottes erkennt. Das ist Trennung in Reinform. Rache und Vergeltung. Das ist Schmerz, Angst, Wut und Hass, Anklage und Todesstrafe…

– – – aber in Wirklichkeit quält die Materie sich selbst. Fügt sich den Schmerz selbst zu, weil sie nicht anders kann. Immer. Und nicht nur am Jüngsten Tage. Und nicht durch eine vergeltende Strafe Gottes.

– – – aber ist es nicht der Plan des Göttlichen, dass alles so ist, wie es ist? Ist es dann nicht doch „Gott“, der die Plagen und den Verführer auf die Menschen loslässt? Alleine dadurch, dass er die Menschen aus Materie entstehen ließ? Sieht Johannes dann nicht doch richtig?

– – – Johannes sieht im göttlichen Plan die falsche Motivation. Eine Motivation, die einem verletzten Ego entspricht. Gott aber straft die materialistischen Menschen nicht. Die Materie „straft“ sich selbst durch die ihr eigene Seelenferne. Und dass ihre seelenferne Existenz eine Strafe ist, ist ihr überhaupt nicht bewusst. Ist dem Ego dominierten Bewusstsein nicht bewusst.

– – – Hat aber Gott den Plan nicht erschaffen?

– – – ja. Gott rächt aber nicht. Es gibt keinen Rachedurst, denn auch das Schmerz erzeugende Handeln der Materie ist Gottes Wille. Wie könnte er Rache für sein eigenes Werk üben? Er würde Rache an sich selbst nehmen und wäre dann doch auch nur andere und dann sich selbst verzehrende schmerzerfüllte Materie. Der Rachegedanke ist die Wahrnehmung des verletzten und gepeinigten Egos des Johannes. Gott erlöst und rettet die Materie am Ende. Er erlöst die materiell dominierten Bewusstseine am Ende. Das ist der göttliche Plan. Die Pein und die Qual entspringen nicht dem Gedanken der Rache. Sie sind einfach die der Geborgenheit, dem Seelischen, gegenüberliegende Seite. Gott wird kein grausames letztes Gericht über die Egos halten. Es ist ihre Seelenferne selbst, an der sie bereits während ihrer Existenz leiden. Und dadurch auch andere leiden lassen. Am Ende, im Tod, im Nirvana, wird er sie alle erlösen. Der Schwefelpfuhl ist nicht ein Ort namens Hölle. Es ist ein Bewusstseinszustand, der nur die Materie kennt….

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Dass ein solcher Text seine Bedeutung erlangt, in einer Zeit da die Christen selbst verfolgt und gemartert und getötet wurden, ist verständlich. Im Schmerz regiert das Ego und kaum jemand ist ein Heiliger, der sein Ego unter solchen Umständen überwinden könnte. Der Überlebenstrieb ist stark. Eine Vision, die Rache und Genugtuung für die erlittenen Qualen verspricht, wird dann gerne angenommen. Die Details der Apokalypse sind irdisch. Menschlich. Des gequälten und in Angst und Schrecken versetzten Menschen gemäß. Der Rachedurst und die Vergeltung durch ewige Qualen sind es ebenfalls. Der Tod an sich als das Ende des Irdischen, das Ende selbst, ist das göttliche Element dieser Vision.

Lese ich die Offenbarung des Johannes, dann erkenne ich seinen Schmerz in mir selbst. Es hat sich ja nichts geändert am Treiben der materiellen Kräfte in dieser Welt und wer meine Texte liest, der weiß, dass mein Ego sich auch in diesem Schmerz befindet, wenn mein Bewusstsein zu sehr diesen Machenschaften von Egoismus, Lug und Trug, dem Schmerz, den ein hartes Ego einem anderen zufügt, ausgesetzt ist. Sich hilflos – und wütend – fühlt im Angesicht des sich gegenseitig zugefügten Leids. Institutionalisiert und gesellschaftlich abgesegnet heutzutage… Nur ist mein Wunsch die Erlösung der Welt und nicht die Rache an ihr… Johannes schien so im Schmerz zu sein, dass er in den Urprinzipien, die er geschaut hat, die eigentliche Botschaft Jesu, das göttliche Wesen, nicht mehr erkennen konnte und ihm das Vergehen des Irdischen und das Bestehen des ewigen und unendlichen Seelischen wie ein grenzenloser und maßlos brutaler Vergeltungsschlag gegen die Materialisten, die Seelenverleugner, die bisherigen Schmerz-Zufüger erschien. Ein finaler Vernichtungsschlag, geführt völlig zu Recht. Das Materielle soll nicht nur vergehen. Nein es soll auch ewig leiden für seine Untaten! …die Interpretation eines verletzten Egos….

Es ist natürlich vorteilhaft, in seinem Glaubensbuch neben allem „Was Du nicht willst, was man Dir tut…“ und „Rechte Wange, linke Wange…“ auch ein solch bedrohliches Vernichtungsszenario zu haben. Das Vorhandensein dieser Offenbarung im Neuen Testament liegt im Ego begründet, denn Vergeltung tut dem Ego gut. Dann muss es nicht auf seinen Tod warten, bis der Schmerz beendet wird. Mit der Vision von Vergeltung kann das Ego seinen Schmerz schon vorher ein wenig mildern. Es kann in seiner Vorstellung bereits oben stehen und zu sehen, wie die anderen – zu Recht natürlich! – auf ewig gequält werden. Und wenn es hart auf hart kommt, dann kann man diese Vergeltung auch bereits zu Lebzeiten selbst in die Tat umsetzen. Denn wenn der Chef so einen abgrundtiefen Hass gegen die anderen hat, dann ist es doch nur legitim, ja sogar fast verpflichtend, die Vernichtungsarbeit schon einmal vorweg zunehmen und ihm ein wenig zur Hand zu gehen. Für eine bessere Welt natürlich. Endlich Schluss – ganz am Schluss – mit dem für das Ego so schmerzhaften „Was Du nicht willst, was man Dir tut…“ und „Rechte Wange, linke Wange…“.

Jesus tobte auch voller Wut im Tempel gegen die Händler und Wechsler. Und er bat auch in Pein, den Kelch des Schmerzes an ihm vorüberziehen zu lassen. Denn er war Mensch. So ist die Vision des Johannes menschlich. Aber genau wie es Jesus gezeigt hat, muss am Ende nach Wut und Angst etwas anderes als Vergeltung und Vernichtung stehen. Nämlich Liebe, Hingabe, und Vertrauen. Erlösung durch Hingabe an die göttliche Kraft. Die Vision des Johannes ist Ausdruck unseres Irdischen, aber nicht die Maßgabe, nach der sich unser Göttliches richtet.

Wie gesagt: die Offenbarung des Johannes ist umstritten. Wer ihren Inhalt für sich zu nutzen weiß, der findet sie gut. Sie legitimiert zu vielem. Besonders dazu, sich besser als andere zu fühlen und sie von oben herab – von höchster Instanz – als tötungswürdig anzusehen. Sie beinhaltet viel Trennung. Sie ist reiner Schmerz. Ich halte es, wie gesagt, mit der syrisch-orthodoxen Kirche, die diesen Text nicht in ihr Neues Testament mit aufgenommen hat.

In Kurzform:

Viel Ego: Viel Vergeltung.

Viel Seele: Viel „Was Du nicht willst, was man Dir tut…“ und „Rechte Wange, linke Wange…“

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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