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Der Gorilla-Mann

Vor vielen Jahren – zu der Zeit, als ich noch ein Fernsehgerät besaß – sah ich eine wissenschaftliche Sendung, die sich mit den Tücken der Wahrnehmung beschäftigte. Unter anderem wurde dort ein kurzer Film-Clip gezeigt, in welchem bei einer festen Kameraeinstellung zehn Basketballer zu sehen waren, die auf einem Spielfeld beisammen standen und sich einen Basketball zu warfen. Fünf in gelben und fünf in schwarzen Trikots. Der Zuschauer hatte nun die Aufgabe, zu zählen, wie häufig sich die Spieler mit den gelben Trikots den Ball zu warfen. Der Clip war zu Ende, ich kam auf fünfzehn Ballwechsel. Weiter war mir nichts aufgefallen. Daraufhin wurde derselbe Film noch einmal gezeigt und die Aufgabe war es, nichts mit zu zählen, sondern nur zu schauen. Während ich nun schaute hielt ich plötzlich die Luft an: Vom rechten Bildrand kam plötzlich ein zwei Meter großer Mann in einem Gorillakostüm auf das Spielfeld, schlenderte zwischen den Spielern hindurch, vollführte mitten vor der Kamera ein eindrucksvolles gorilla-artiges Brusttrommeln und verschwand – langsam schlendernd – links wieder aus dem Bild. Während dies geschah warfen sich die Spieler genauso die Bälle zu, wie ich es zuvor gesehen hatte.

Mich hat dieses Experiment nie wieder los gelassen. Nur weil mein Verstand, der Herr und Verwalter meiner fünf Sinne mit dem Zählen von Ballwechseln beschäftigt war, hat er den riesigen – ich hätte gesagt: unübersehbaren! – Gorilla-Mann einfach ausgeblendet…und ich hätte auf alles geschworen, was mir lieb und teuer ist, dass es keinen Gorilla-Mann in dem Film-Clip gegeben hat…

Seit jenem Moment fragte ich mich immer wieder mit einem etwas unguten Gefühl, wie viele „Gorilla-Männer“ mir mein Verstand denn wohl so jeden Tag aus der Wahrnehmung weglöscht. Was für ein Stückwerk ist das denn eigentlich, das mir mit dem Etikett „Realität“ durch den Verwalter meiner fünf Sinne – meinen Verstand – zur Verfügung gestellt wird? Könnten die „Gorilla-Männer“ nicht wichtig für mich sein und aus welchen Beweggründen werden sie mir vorenthalten?

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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