Treffen Männer aufeinander, dann geht es – selbst in eher spirituellem Rahmen – oft ums eigene Auto. Manchmal forciere ich das Thema selbst, wenn ich neugierig bin, wer mit welchem vor der Tür parkenden Ausdruck seiner Individualität angereist ist. Außerdem habe ich dann die Gelegenheit, auch von meinem Auto zu erzählen.

Da ich das Thema jetzt auf den Tisch gebracht habe, nutze ich diese Gelegenheit auch jetzt. Mein derzeitiges Auto ist ein Fiat Panda alten Baujahres. Eine kleine weiße Blechkiste mit einem 34 PS-Motor. Wer damit nichts anfangen kann, dem sei gesagt: Heutzutage wird kaum ein Kleinwagen mehr gebaut, der nicht mindestens 120 PS hat und mindestens doppelt so groß ist wie ein Panda. Nur zum Vergleich.

Ich erzähle dann – und auch jetzt -, wie es dazu gekommen ist, dass ich mir dieses Auto gekauft habe.

Es war zu der Zeit, als mein neues Lebens begann und mich die Spirits durch- und durchschüttelten.

Ich hatte es in Hinblick auf mein damaliges Fahrzeug eigentlich gerade geschafft. Ich besaß einen schönen anthrazitfarbenen sportlichen Volvo-Kombi. Einen Lifestyle-Kombi, wie mir der Verkäufer seinerzeit versicherte. Ich war irgendwie angekommen. Auf der Autobahn wurde mir von anderen anthrazitfarbenen oder schwarzen oder dunkelgrauen Kombi-Limousinen beim Auffahren Platz gemacht. Ich wurde nicht gedrängelt. Ich war Teil der großen Mittelklasse-Flotte, die Tag für Tag über unsere Autobahnen gleitet und deren Fahrer mit einem Blick das Modell und den Ausstattungslevel des vor, hinter oder neben ihnen fahrenden Fahrzeugs erkennen konnten, um daraus ihren Umgang mit diesem Verkehrsteilnehmer abzuleiten – – – und deren Fahrzeugfarbe sich immer am Wiederverkaufswert orientierte. Schwarz, dunkelgrau oder anthrazit.

Ich hatte zwar diesen Wagen, war beruflich selbstständig aber ansonsten nicht besonders vermögend. Mit den Worten John Steinbecks gesagt: „Ich war nicht arm, hatte aber zu der Zeit kein Geld“.

Es war eine Zeit des seelischen Umbruchs. Erweitert man seine Sinne, so führt dies zwangsläufig zu einer anderen Wahrnehmung der Realität. Ich bemerkte, wie mein Lifestyle-Kombi mir zu einer Last wurde. Wie der Besitz dieses „Dinges“ so viele meiner Gedanken fesselte und mir sogar ziemlich viele Sorgen bereitete! Der Lack hatte an der Motorhaube Steinschlagschäden, auf die ich beim Kauf nicht geachtet hatte. Rost! Ich fuhr von Werkstatt zu Werkstatt, um Meinungen einzuholen, wie dies kostengünstig zu beheben sei. Der Wagen musste zum TÜV und ich hatte das Gefühl, dass der Auspuff lauter geworden war. Der Gedanke, wie ich das jetzt finanziell stemmen sollte, hat mich bis in die Abende verfolgt. Auch benötigte ich vorne einen neuen Satz Reifen, nachdem ich in einen Nagel gefahren war. Fahrzeugwäsche! Ölwechsel, Und, Und, Und…. Zu guter Letzt habe ich den Wagen an der Straße geparkt, da der Gemeinschaftsparkplatz unserer Wohnanlage voll war, und bin mit mit meiner Frau in ihrem Diesel (Treibstoffkosten!) ein paar Tage in Urlaub gefahren. Als wir wiederkamen hatte mein Volvo zwei schöne Kratzer im Lack. Einer auf jeder Fahrzeugseite und jeweils vom Heck bis zum vorderen Kotflügel. Anderen Autos am Straßenrand ging es genau so.

Mir war der Aspekt der Last schon einige Zeit klar gewesen. Nun war aber der Zeitpunkt gekommen, zu handeln. Das Auto sollte weg. Deutlicher konnte kaum ein Zeichen sein. Keine Sorge und kein negativer Gedanke sollte mich wegen dieses Schadens behelligen! Daher ließ mich diese Beschädigung kalt und führte nur dazu, dass ich abends direkt eine Verkaufsanzeige aufgegeben habe. Ähnliches geschah mit meinem Motorrad. Es kippte mir zweimal um. Es fühlte sich so unglaublich schwer an. Ein gewaltiger Eisenklumpen. Während einer Fahrt fiel nachts das Licht aus, so dass ich das Motorrad mit einem Anhänger abholen musste. Eine Bagatellreparatur führte dazu, dass ich den halben Motor auseinander nehmen musste und nachdem Jugendliche mir mit einer Flasche noch eine Beule in den Tank gehauen hatten, war auch das Schicksal meiner Kawasaki besiegelt: Weg! Um jeden Preis! Weg mit dem Ballast! Befreiung meiner Gedanken und meines Handelns von diesem Unsinn! Weg, weg, weg!

Ich habe beide Fahrzeuge unter Preis verkauft. Die Käufer hielten mich für naiv und geschäftsuntüchtig. Ich wollte es nur einfach halten und nicht verhandeln. Ich habe mich für sie gefreut. Nicht für die Last, die sie nun erworben hatten, sondern für den guten Kauf, den sie für sich gemacht hatten. Den Volvo kaufte eine junge Studentin. Als ich ihr den Wagen zu ihrem Preis überließ und sagte, ich wolle mir etwas Kleiners kaufen, einen Polo vielleicht, lächelte sie mich süffisant und spöttisch an: “Einen Polo. So…“ Denkend: „Bei Dir geht’s wohl ganz schön abwärts Du alter Schlappi.“

Nun benötigte ich aber trotzdem ein Fahrzeug (Es stimmt, man kann auch Bahn fahren. Oder Fahrrad. Aber jeder sollte da seinen eigenen Dogmen folgen). Und so suchte ich nach dem kleinsten, unscheinbarsten und demütigsten Fahrzeug, dass ich finden konnte. Es wurde dieser kleine Fiat. Er nahm mich heraus aus der Familie des bürgerlichen Durchschnitts. Machte mich zum Spielball auf den Straßen und verlangte von mir Selbstdisziplin und – eben – Demut. Ich wurde – und werde – angeblendet, angehupt, geschnitten. Keiner macht mir mehr Platz beim Einfädeln auf der Autobahn. Hinten anstellen, Schwächling! Heißt es. Ich bin an der Ampel noch gar nicht richtig angefahren, da wollen alle mich schon überholen. Instinktiv.

Was war das ein schwerer Weg. In diesem Fahrzeug lernte ich viel Demut, innere Ruhe und die Distanz zu äußerlichen Ich-bezogenen Nichtigkeiten. Das war wohl der innere Plan, der mich zum Kauf dieses Wagens trieb. Der Plan, der mir gar nicht so klar war – damals. Der Plan sah auch vor, dass ich diesen Wagen in einer Werkstatt kaufte, die ansonsten mit der Reparatur von amerikanischen Sportwagen ihr Geld verdiente! So schraubte dann ein hünenhafter Werkstattmeister in mitten von feuerroten und mit Flammendekors verzierten PS-Boliden mürrisch und mich keines Blickes würdigend die von mir mitgebrachten Nummernschilder an meinen weißen Schuhkarton – „Alter Schlappi!“. Dies ließ mich schon ahnen, was mir noch alles auf meinen Fahrten bevorstand. Es war eine Vorwegnahme zukünftiger Lektionen in Sachen Demut und Verringerung des Ichs.

Aber jedes Ersatzteil kostet irgendwie maximal 25 € und hält mich so sorgenfrei. Wenn der Panda einmal den Geist aufgibt, so hat er als Zen-Meister seine Dienste wunderbar erfüllt. Ich danke ihm jetzt bereits dafür!

Und so zucken dann doch noch eine nicht geringe Menge an Männern zusammen, wenn ich sage, dass mein Auto etwas mit Demut zu tun hat. „Wieeee? Deee-muuut?!!“ Demut ist irgendwie nicht so angesagt. Und genau darum komme ich dann manchmal gerne auf das Thema Autos.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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