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Was sie wirklich meinen. Und nicht mehr ausdrücken können

Vor langer, langer Zeit (ich kann mich noch schwach daran erinnern) war es möglich, die Menschen mit Argumenten zu überzeugen. Ich weiß das, denn ich war ziemlich gut darin. Meine Meinungen waren fundiert, meine Argumentationen gut aufgebaut und vorbereitet auf eventuelle Gegenargumente. Meinem Gegenüber blieb oft genug nichts anderes übrig, als schweigend und zerknirscht anzuerkennen, dass er mit seinen halbgaren und unausgereiften Ansichten ziemlich daneben lag.

Damals kannte ich noch keine Fanatiker, keine Menschen in abgrundtiefem Schmerz. Die Menschen in diesem Schmerz nehmen in der heutigen Zeit zu oder besser gesagt: sie treten mit ihrem Schmerz mehr an die Öffentlichkeit. Sie werden sichtbarer in einer Gesellschaft, in der der Zwang zur Homogenität zu bröckeln beginnt, weil die geltende Homogenität – der Kapitalistische Materialismus für viele keine Heimat mehr darstellt. Bei ihnen bleibe jetzt ich nach einem Meinungsaustausch sprachlos zurück. Nicht, weil sie die besseren Argumente hätten, sondern weil gute Argumente nicht mehr zählen. Weil nur noch Aussage zählen und es bei diesen Aussagen nur noch darum geht, ob sie die eigene Ansicht stützen oder nicht. Ob man sich in dem einsamen Schmerz der Aussage wiederfinden kann oder nicht. Da ist es dann durchaus üblich, alles was von einer bestimmten als negativ wahrgenommenen Organisation veröffentlicht wird, als gesteuerte Lüge zu bezeichnen und im gleichen Moment aber eine bestimmte Veröffentlichung dieser Organisation, die in das eigene Schema passt, als Beweis der eigenen Argumentation hinzuzufügen. Dann ist sie auf einmal keine gesteuerte Lüge mehr, sondern die (passende) Wahrheit… Letztendlich ist es egal, wer welche Aussagen tätigt, wenn sie nur das eigene Bild stützen. Und es werden viele Aussagen gemacht weltweit. Sehr viele…

Das Argument ist tot. Die Anerkennung des besseren Arguments erfordert einen Zugang zu seinem Gesprächspartner. Eine Basis auf der man sich treffen – und auch nach der Argumentation bleiben – kann. Diese Basis existiert bei vielen Menschen nicht mehr, denn der kapitalistische Materialismus hat sie entseelt. Hat sie ihrer Wahrnehmung dieser Basis beraubt. Hat sie in panische Angst versetzt, hält sie dort und lässt sie in ihrer Einsamkeit zurück. Es ist nicht mehr möglich, das bessere Argument anzuerkennen, denn es ist ein Kampf um Leben und Tod. Argumente sind Waffen und bei einem solchen Kampf sind alle Waffen erlaubt. Hauptsache ist, man siegt. Und so wird das riesige Arsenal der Meinungen durchforstet. Stundenlang vor dem Bildschirm. Und am Ende hat man sich eine Bastion aus Meinungsäußerungen zusammengebastelt und meint, man fühle sich jetzt nicht mehr so alleine, sondern verbunden mit denen, die die gleiche Angst teilen.

Sie haben ja recht. Ihre Angst und ihr Schmerz sind begründet. Ihre Einsamkeit ist real. Es fehlen Ihnen nur die Worte und dadurch die Wahrnehmung. Und wenn sie etwas wahrnehmen, dann zensieren sie sich selbst und denken, das könnten sie dann ja doch nicht anbringen. Das sei nicht faktisch genug. Und so hängen sie da in ihren Kriegen des Materialismus. Und kommen da nicht raus und kommen nicht dahin, wo ihre Heilung wäre. Denn das eine und einzige Argument – das alle auch tief in sich kennen, aber nicht benennen können – lautet: Der Materialismus stiehlt mir meine Seele!“

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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