Vielleicht sollten wir weniger wissen. Aber dieses wenige Wissen, das wir dann haben, sollte auf eigener Erfahrung beruhen und für uns auch eine Relevanz haben. Dann hat das, was wir Begreifen ein wenig mehr Wahrhaftigkeit und stiftet viel weniger (vielleicht sogar gar keine) Verwirrung. Dadurch, dass unser Wissen auf unserem eigenen Erfahren gegründet ist, werden wir fester mit der Welt verwurzelt. Wenn 98 % unseres Wissens aus Büchern, (Frühstücks-)Fernsehen, Internet, Schule und Gebrauchsanweisungen (ob technischen, moralischen, gesellschaftlichen oder spirituellen) besteht, dann hat es keinen Gehalt. Es kann uns nicht stützen und lässt uns wanken, wie einen Turm aus Papier im Wind. Am Internet lässt sich erkennen, wie der Verstand seinen heiligen Gral – das Wissen – selbst ad absurdum führt: Zu jedem Thema (der Milliarden von Themen) finden sich dort 10000 verschiedene Meinungen. Manchmal liest man in einer renommierten Internet-Zeitung eine Meinung zu einem Thema und am nächsten Tag steht in der gleichen Zeitung die genau gegenteilige Meinung. Welchen Wert hat denn da die Meinung, wenn sie so austauschbar ist? Welchen Wahrheitsgehalt kann sie haben, wenn es ihrer zu jedem Thema Zehntausende gibt? Ist sie nur ein Mittel der Abgrenzung, um sein Ego noch weiter von den anderen abzuheben? Wo man früher auf die Meinung des lokalen Fachmanns vertrauen musste (und darauf, dass er überhaupt ein Fachmann war) und man nur diese eine Meinung zur Auswahl hatte und automatisch schätzte, weil eben nur dieser Fachmann das entsprechende Buch besaß und auch gelesen hatte, so müssen wir heute dieser Täuschung nicht mehr erliegen. Das Internet zeigt uns: Jeder kann nun jedes Buch lesen. Jeder kann sich nun zum Fachmann in jedem Gebiet aufschwingen. Weiß jemand etwas besser als ich? Ich lese es nach und voila: Ich habe dieses Wissen nun auch. Es kann jedem klar werden: Wissen bedeutet nur Zugang zu sog. Sekundärquellen. Ob aus Büchern, (Frühstücks-)Fernsehen, Internet, Schule oder Gebrauchsanweisungen (ob technischen, moralischen, gesellschaftlichen oder spirituellen) spielt keine Rolle.
Und aus diesem fahlen sekundären Wissen bildet sich nun jeder seine Meinung. Was gilt denn da die donnernde inquisitatorische Frage: „Haben Sie denn dazu ÜBERHAUPT KEINE MEINUNG!??!!“ Sie wird zu einer Lachnummer. Man möchte sagen: „Googlen Sie doch mal danach und nehmen sie das 75ste Ergebnis als meine Meinung. Oder das 4763ste, wenn sie mir unbedingt eine Meinung über etwas entlocken müssen, bezüglich dessen ich keine eigenen Erfahrungen habe. Suchen Sie sich eine aus. Es gibt genug davon. Eine ist so gehaltlos wie die andere.“ Außer jemand hat wirklich eine persönliche Erfahrung gemacht. Und auch dann ist Vorsicht angebracht. Wie viel hat der Verstand dort mit eingefärbt? Wie viele Gorillamänner hat er verschwinden lassen? Daher kehre ich zum Anfang zurück: Vielleicht sollten wir weniger wissen (und somit auch meinen). Aber dieses wenige Wissen, das wir dann haben, sollte auf eigener Erfahrung beruhen und für uns auch eine Relevanz haben. Dann hat das, was wir Begreifen ein wenig mehr Wahrhaftigkeit und stiftet viel weniger (vielleicht sogar gar keine) Verwirrung. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte in meiner obigen Meinung nicht das Internet verteufeln. Ich nutze es auch. Gern schaue ich mir an, welche Meinung die Wettercomputer verschiedener Firmen dazu haben, ob es morgen (oder in der nächsten halben Stunde) bei mir regnen oder ob die Sonne scheinen wird. Oder ich betrachte mir die Meinungen, die Menschen in Kleinanzeigen zum Wert bestimmter in ihrem Besitz befindlicher Gegenstände haben. Nur Nachrichten- und Magazinseiten lese ich nicht mehr. Genauso wenig wie ich Sekundärquellen wie Radio, Fernsehen oder gedruckte Zeitungen verwende. Ich begreife meine Welt dadurch wesentlich besser. So sollte die Welt wieder für alle Menschen sein. In der seelischen Wahrnehmung wieder globalisiert – ja, universalisiert – und in materieller Hinsicht wieder lokalisiert. Nur so weit, wie der Verstand sie erfassen und auch persönlich beherrschen kann. Soweit, wie sie in der Erfahrungswelt seiner fünf Sinne liegen kann. Keine von Verständen irgendwo auf der Welt erzeugten Verstrickungen mehr, die den Einzelnen ratlos, verzweifelt und ausgeliefert zurücklassen. In einem Zustand, den der Mensch mittlerweile nicht anders kennt und ihn deswegen auch noch als „gottgegeben“ und unabänderlich – sogar als normal – ansieht.
Es gibt Untersuchungen (Meinungen), dass Männer ab einem bestimmten Alter keine Prostatakrebsuntersuchungen mehr machen sollten. Die Gewissheit mit dem Leid dieser Diagnose in Verbindung mit den Folgen der Operationen wie u. a. häufiger Inkontinenz und Schmerzen, wiege es nicht auf, unwissend ein (vielleicht) ein, zwei Jährchen kürzeres glückliches Leben zu leben oder auch einfach nur unwissend ob dieser Erkrankung schmerzlos normal sein natürliches Ende zu erreichen. Was nützt mir das Wissen, wenn es für mich körperliches und emotionales Leiden bedeutet? Von dieser Meinung halte ich etwas. Weil meine Erfahrung mir (bisher) zeigt, dass Unwissenheit an der richtigen Stelle kerngesund ist. Menschen, die darauf beharren, ich müsste informiert sein, weil sonst ja alles egal wäre, stützen sich dabei auf sekundäre Meinungsquellen. Dass das Abendland untergeht, wenn ich viele Dinge (auch weltpolitische) nicht mehr weiß oder bewusst vergesse, ist eine rein hypothetische in die Zukunft prognostizierte Meinung (wie es mit solchen Prognosen in die Zukunft steht, dass weiß bestimmt auch jeder). Eine haltlose Prognose, die von an dieser Meinung – wohl oft aus Machtgründen – interessierten Meinungsmachern den Leuten untergejubelt wird. Wahrscheinlich ändert sie sich bald wieder einmal.