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Wir haben die Wahl

Die kleine Motte hatte es sich am Rand der Duschwanne wohl gemütlich gemacht. Das jähe Rauschen des Wassers aus dem Duschkopf hat sie aufgeschreckt. Ich sah noch aus den Augenwinkeln einen kleinen Schatten flattern, dann wurde sie von den Wassertropfen getroffen und in die Duschwanne niedergeschlagen. Dort liegt sie nun und treibt im ersten Rinnsal des Duschwassers langsam in Richtung Abfluss.

Erster Gedanke: ‚Mann, kann die denn nicht aufpassen! Sie ist bestimmt tot und wenn nicht, bis sie im Abfluss ist, bekomme ich sie auch nicht mehr zu fassen und dann geht es schnell mit dem Ertrinken. So ist das eben. Wie bei uns. Die Dinge kommen zusammen und dann geschieht etwas. Wir können uns auch nicht beschweren, wenn es uns erwischt.‘ –

Dann: ‚Ist es so einfach?‘ Wasser aus. Und mit einem Stück Toilettenpapier versuchen, die Motte aus dem Rinnsal rechtzeitig herauszufischen. Die Motte, durch das Abstellen des Wassers wieder halbwegs auf dem Trockenen, flattert und hüpft durch die Duschwanne. Immer weg von meinem rettenden Stück Papier. Nach dem sechsten Versuch: ‚Dann eben nicht! Habe noch genug zu tun. Wie bei uns. Wenn wir die rettende Hand nicht erkennen und nicht annehmen, dann ist uns auch nicht zu helfen. Also Wasser Marsch und dann geht’s eben wieder Richtung Abfluss. Dann soll es wohl so sein!‘ – –

Dann: ‚Pfft.‘, ein weiterer Blick auf die sich keiner Schuld bewussten und dem Tode geweihten Motte und ich gehe splitternackt und duschbereit ins Wohnzimmer, hole unseren Insektenfänger, schnappe die Motte und setze sie unbeschadet vor die Haustür. ‚Was soll‘s. Die Zeit ist doch da. Ich muss sie nicht sterben lassen. Schon gar nicht wegen „selbst Schuld“ und so einem Quatsch. Das Schicksal war wohl, dass ich sie rette.‘ – – –

Was ist richtig? Was davon ist der Weg? Manchmal weiß ich es. Oft weiß ich es nicht.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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