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Schenken bedeutet, nichts dafür zu erwarten

Carlo und seine Frau Tina gehen vor unserer Tür mit ihrem Hund vorbei. Sie sind neue – entfernte – Nachbarn. Vorsichtige Typen. Tierlieb. Den Wehrlosen zugetan, weil sie vielleicht selber so oft wehrlos sein mussten. Haben an ihrem alten Wohnort wegen der Nachbarn wohl oft die Polizei gerufen, heißt es. Wir waren umgeben von Nazis, die Tag und Nacht Krawall gemacht haben, sagen sie. Nun ja. Wer weiß es schon. Ist auch nicht wichtig. Wir kommen gut zurecht. Wir kennen uns über die Hunde und wenn wir uns treffen, dann reden wir ein wenig über alltägliche Dinge. Ich stand vor dem Tor als die drei vorbeigingen. Carlo hatte eine Bandage um seiner rechten Hand. Er ist Maler und Anstreicher. Verschleiß, sagt er auf meine Frage nach der Verletzung. Der Knorpel. Er muss in drei Wochen ins MRT. Vielleicht wird’s operiert. Ein kleiner Riss im Knorpel. – „Warte mal“, sage ich. „Mir fällt gerade etwas ein. Wir haben da so eine Salbe. Die hat mal jemand für uns angerührt und wir brauchen Sie eigentlich nicht. Steht nur im Kühlschrank rum. Ist mit Beinwell. Das ist eigentlich gut bei Knochenbrüchen. Aber wer weiß. Nimm die mal. Vielleicht hilft‘s. Allemal besser als eine OP. Ich hol die mal eben.“ – Ich gehe los und sehe im Wegehen, wie die Beiden etwas verlegen und unschlüssig werden. Das wollten sie nun doch nicht. Zu viel Nähe. – Da müssen sie jetzt durch, denke ich mir und komme mit der Salbe zurück. Ich drücke sie Carlo in die Hand und sage: „Probier es mal aus. Wir brauchen die nicht mehr. Wenn es hilft, dann ist‘s doch super.“ „Ja, Danke.“ sagen beide etwas steif und ratlos. Unsicher in der Situation.

Die Salbe hat geholfen. Sie haben sich im Internet noch etwas nachbestellt. Unser Verhältnis ist gut.

Aber warum erzähle ich eigentlich diese Geschichte? Ich erzähle sie deswegen, weil das eigentlich bemerkenswerte war, dass wir nichts von diesen Beide für die Salbe zurückbekommen haben. Nichts. Kein Blümchen. Keine Flasche Wein. Kein gar nichts. Sie haben sich gefreut, dass das ungefragte Geschenk geholfen hat, aber es kam kein direktes Danke oder etwas Vergleichbares. Wunderbar! Ein Geschenk wurde erkannt und angenommen. Carlo war in Not. Ich hatte die Salbe. Punkt. Da war das Ende der Kette. Es gab keine Verpflichtungen. Niemand fühlte sich genötigt, jetzt irgendetwas gut machen zu müssen. Ich musste zu keinem Gegengeschenk sagen: „Das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Und so weiter. Erfrischend einfach und klar! Er hat die Salbe genommen und sie hat ihm geholfen. Das reicht mir doch. Ich erwarte nichts. Und wünsche auch nichts. Ich war es doch, der den Beiden die Salbe aufgedrängt hat. So eine einseitige Handlung darf nur aus Liebe geschehen und nicht, um jemanden zu bestechen oder abhängig zu machen. Ich freute mich, dass ich diese Intention den beiden so vermitteln konnte und sie sich nicht in irgendeiner Schuld fühlten.

Mich freute es besonders, weil ich in meinem Verständnis mit ungefragten Gaben genau so umgehe. Wer mir ungefragt einen Gefallen tut, der darf dies nur aus Liebe tun. Oft geht es dabei aber mehr um Bestechung und den Versuch Abhängigkeiten zu erzeugen. Dann fangen die Probleme eigentlich erst an, wenn ich mich diesem Spiel nicht zugehörig fühle und die erwartete Art von Dankbarkeit vermissen lasse. Wer aus Liebe gibt, der freut sich über meine Haltung. Wer mir gibt, um mir zu nehmen, der gibt mir ohne dass ich es will und zeiht mich der Undankbarkeit ohne dass ich da etwas zu getan hätte.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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