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Nach der Vollendung

Der Korkboden in unserem Wohnzimmer endet mit einer offenen Sägekante etwa 80cm vor unserem Ofen. Dort, wo nun eigentlich Fliesen folgen sollten, befindet sich eine Mischung aus Estrich und altem Bodenbelag. Einige Fliesen liegen dort lose neben dem Ofen herum. Irgendwann einmal dort hin gelegt, um zu schauen, wie die Farbe zum Kork passen würde. Teilweise zerbrochen, weil jemand irgendwann einmal drauf getreten ist.

Es ist ein Anblick, der auf einen Besucher erst einmal befremdlich wirkt. Es ist dort alles so unfertig. Und es wäre doch so einfach, diese Ecke um den Ofen herum zu fliesen und endlich einmal fertig zu machen. Es wäre so einfach, endlich einmal zu einem Abschluss zu kommen. Ich weiß das. Die Fliesen liegen schon bereit. Der Fliesenkleber auch und die Aluminium-Abschlusskante ebenfalls. Sogar einen speziellen Kamm-Spachtel zur fachgerechten Verteilung des Fliesenklebers haben wir bereits. Wir werden den Fliesenspiegel fertig stellen. Wir werden es tun, wenn wir dieses Haus verlassen.

Für mich gibt es keine Ziele. Es gibt keine Endpunkte, nach denen ich strebe und an denen dann Vollkommenheit herrscht oder Perfektion. Für mich gibt es nur Kreisläufe. Das bedeutet, dass, wenn ein Kreis sich vollendet hat, er wieder neu beginnt. Das bedeutet, dass, wenn Perfektion herrscht, sie sofort wieder im Niedergang ist. Perfektion ist, genauso wie jeder andere Zustand, nicht beständig, sondern einem ewigen Wandel unterworfen. Viel Kraft wird mit Versuchen vergeudet, vermeintliche Endpunkte festzuhalten und sie dabei in ewiger Beständigkeit manifestieren zu wollen. Es geschieht aus Unkenntnis der wahren Sachverhalte. Die Kraft wird vergeudet in einem Versuch, gegen die Natur zu wirken. Dass so etwas letztlich, bei aller aufgewendeten Kraft, zum Scheitern verurteilt ist, muss nicht erst betont werden. Deswegen bleibt bei uns diese Stelle am Ofen unvollendet. Sie erinnert mich täglich daran, dass es keine Ziele gibt, die zu erreichen wären. Sie erinnert mich daran, dass nach der Vollendung immer wieder der Wandel einsetzt. Wir vollenden diese Stelle, wenn wir im Kreislauf weitergehen.

So habe ich keine Ambitionen. Man kann sagen, ich unterstütze Menschen beim Erreichen ihrer Ambitionen.

Ist das dann nicht meine Ambition?

Nein, das ist nicht so. Ich tue dies nicht, weil ich es will. Ich tue es, weil es so ist. Und „Sein“ bedeutet „sich im Kreislauf befinden“. Sind die Dinge dann anders, dann wandele ich mich mit ihnen.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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