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Logik bringt nicht die Lösung

Seit Jahrtausenden streiten sich die Philosophen über die Substanz der Welt. Seit Jahrtausenden versuchen die großen Denker dieser Welt, sich mit ihrer Logik gegenseitig zu widerlegen und ihre eigenen Ansichten über Gehalt und Ursache zu untermauern und ins Recht zu setzen. Spitzfindig wird über Begriffe gestritten, werden die Worte einmal mit dieser und ein anderes Mal mit jener Bedeutungsnuance belegt, um trickreich die logische Überlegenheit zu erlangen. Das Ziel ist immer das Gleiche: Die „eigenen“ Ansichten als Wahrheit zu „beweisen“.

Andere Denker zwar – die Skeptiker zum Beispiel – meinen, dass es nichts gäbe, was überhaupt beweisbar wäre. Sie sagen, alles Erkennen beruhe auf den Wahrnehmungen unserer fünf Sinne und ob diese Wahrnehmungen richtig seien, ließe sich eben niemals feststellen. Sie meinen zwar im Gegensatz zu den anderen Denkern, dass nichts beweisbar sei, aber sie sprechen immer noch nur von den dem Verstand zugänglichen Erkenntnissen. Von Wahrnehmung über die fünf Sinne und die Logik.

Diese großen, viel zitierten und hochgeehrten Männer, deren Aussagen die Jahrtausende überdauert haben, erscheinen mir heute – ich bitte um Verzeihung für diese Formulierung, aber das ist das Bild, das ich vor mir sehe, denke ich an Philosophen – als nichts anderes als kleinliche Erbsenzähler. Ich war verblüfft, als mir dies eines Tages gewahr wurde. Ich dachte früher, diese Denker seien Menschen, die in der Lage wären, etwas über die Welt zu erfahren. Herausragende Geiste, die uns Neues erkennen lassen könnten. Besondere Menschen, die uns aufklären, erhellen, ja erleuchten könnten. Ich war verblüfft, als ich stattdessen erkannte, dass auch sie nicht über die Dinge und Zeit und Raum hinauskommen konnten und dass das der Grund dafür war, warum ihre Erkenntnisse niemals klar, wahrhaftig und unwiderlegbar abschließend sein konnten. Logik. Ursache, Wirkung, Begriffe, in Bezug auf Begriffe, in Bezug auf weitere Begriffe. Nichts anderes war in ihren Texten für mich zu erkennen. Es wurde mir klar, dass es auf dieser Ebene natürlich immer ein Richtig und Falsch geben müsse. Ihre Erkenntnis war unvollkommen, weil sie die Wahrnehmungen ihres Seelensinns nicht mit in ihr Kalkül einbeziehen konnten. Lese ich ihre Erörterungen, dann kommt bei mir ein fader Beigeschmack auf. Spitzfindig. Oberschlau kompliziert. An den Haaren herbeigezogen durch Umdeutungen von Begriffen. Eigenartige logische Ketten, die das Eigene beweisen und das Andere negieren sollen. Beharrung auf Raum, Zeit, Logik. Der Zwang, beweisen zu müssen. Und zwar so beweisen zu müssen, dassder Verstand mit dem Ergebnis zufrieden ist. Darum alleine geht es in ihrem Denken: Den Verstand zufrieden zu stellen. Allein da liegt schon ein Fehlschluss: Er liegt in der Annahme, dass das bejahende Urteil des Verstand ausschlaggebend sei für die Richtigkeit einer Aussage. Ein weiterer Fehlschluss liegt darüber hinaus in der Annahme, dass der Verstand überhaupt in der Lage sei, mit seinen Mitteln die Welt vollständig erkennen und sich daraufhin ein Urteil bilden zu können. Der letzte Fehlschluss aber liegt in der Annahme, dass es ein Urteil – ein Richtig und Falsch – überhaupt gibt. Diese Annahme resultiert wieder aus der Methode selbst, die – da ihre Ergebnisse den Verstand befriedigen müssen – immer eine Verstandesmethode ist und daher eben trennt und dadurch Richtig und Falsch erst erschafft, zwangsläufig erschaffen muss.

Dieses Bild sehe ich, wenn ich die Worte dieser Menschen lese: Erbsen, kleine, klitzekleine, vertrocknete Erbsen – graugrün und hart – werden auf einem schiefen Tisch kullernd und kugelnd mühsam aneinandergereiht. Nie bleiben sie in einer geraden Reihe liegen. Immer kugeln sie sich um ein, zwei Millimeter oder Zentimeter aus der schönen Reihe heraus. Es ist zum verrückt werden. Es wird aneinander gereiht und gleichzeitig wieder eine widerspenstige, mit Eigenleben versehene Erbse in Linie gebracht und in ihrer Position korrigiert, mit dem Ergebnis, dass andere Erbsen durch den Lufthauch oder die leichte Erschütterung auf dem Tisch auch wieder in lautlose oder leise fröhlich klickernde Bewegung kommen und es einfach nichts wird mit dieser schönen klaren und geraden Linie von hintereinander geometrisch klar aufgereihten Erbsen.

Den verzweifelten Denkern bleibt am Ende in ihrer Hilflosigkeit nichts anderes übrig, als den Begriff der geraden Linie neu zu definieren. Sie deuten auf ihren Tisch und sagen zu ihrem Publikum: „Das, was ihr noch als krummes Durcheinander von widerspenstigen Erbsen seht, ist in Wirklichkeit eine absolut gerade Linie. Ihr wisst es nur noch nicht. Aber ich werde es Euch erklären. Wir kriegen das schon hingebogen. Irgendwie. Wir werden noch ein paar neue Begriffe definieren. Dann klappt das schon. Irgendwie.“ Und alle anderen Philosophen an den anderen Tischen nebenan blicken erschrocken von ihrem Gefummel auf und zeigen dann schnell auf ihre Tische und behaupten dasselbe von ihren krummen Erbsenkonstruktionen. Der Skeptiker wird weiterhin sagen: „Niemand kann mit Gewissheit sagen, ob es Tische, Erbsen, Linien und Philosophen in dieser Form überhaupt wirklich gibt. Also belassen wir es dabei.“ Für ihn gibt es gar keine Erkenntnis. In keiner Form. Weil auch er es nicht versteht, auf seinen Seelensinn zu horchen, der ihm so andere, so neue, wahre und vor allem vollständige und abschließende Erkenntnis in einem einzigen klaren Ton vermitteln könnte.

Ich war verblüfft, als mir bewusst wurde, dass diese ganzen berühmten, viel zitierten, viel gedruckten und mit vielen Büsten und Standbildern und Biografien und Abhandlungen geehrten Menschen für ihr ergebnisloses Erbsenzählen geehrt worden sind und augenscheinlich niemals den Klang der Ewigkeit vernommen hatten. Die Unendlichkeit und die Ewigkeit und die Einheit sind ihnen fremd geblieben. So sehr haben sie sich auf ihren einseitigen und nicht sehr hellen Berater, den Verstand, gestützt und versucht, es ihm nach seinen Vorgaben recht zu machen. Sie trennten und trennten und gerieten in Streit und trennten und fügten zusammen und sagten, sie hätten Recht und die anderen hätten Unrecht. Diese weisen Männer waren nur Marionetten im Dienste des Verstandes, der nichts lieber tut, als zu trennen und über Recht und Unrecht zu urteilen und damit Einsamkeit zu erzeugen. Spitzfindig spielten sie mit ihren Erbsen und erkannten nicht, dass ihre Seele ihnen die ganze Zeit die Wahrheit mitteilte. Die Wahrheit, die für den Verstand nicht begreifbar, nicht erkennbar ist. Die Wahrheit, die über seinen Horizont weit hinaus geht. Die Wahrheit, dass jede Erbse, jeder Tisch, jeder Philosoph, jede Erkenntnis, jedes Wahr, jedes Falsch, jedes Wort, die Logik, die Unlogik, jede Meinung oder Ansicht, jede Existenz oder Nichtexistenz Teil eines Einzigen sind. Eines Einzigen ohne Vorher und Nachher, eines Einzigen ohne Ursache und Wirkung. Eines Einzigen ohne Kausal- oder Logik-Ketten. Die Wahrheit, dass alles ewig und unendlich ist. Das alles das Eine ist.

Nur… der Verstand kann das eben nicht begreifen. Und solange die Wahrheit nur über ihn gesucht wird, so lange werden diese Erkenntnisse den großen Denkern verborgen bleiben und nur den Nicht-Denkern zugänglich bleiben. Wie viele Nicht-Denker, die Nicht-Verstandes-Wissen erlangt haben, gab und gibt es auf dieser Welt für jeden großen und geehrten Denker, der sein Leben damit verbracht hat, sich von seinen Erbsen in völlige Verwirrung bringen zu lassen und dann noch meinte, er hätte irgendetwas erreicht? Sind es nicht vielleicht gerade die Nicht-Geehrten, die von der einen Wahrheit wissen?

Das ist auch etwas, was ich durch Nichtdenken erfahren habe und ich kann es deshalb nicht zur Zufriedenheit des Verstandes beweisen.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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