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Die Schwingung wandert über den See

Still steht die Phalanx der jungen Birken am entfernten Ufer des ruhenden Sees. Ihr gespiegeltes Ebenbild wirft sie auf seine klare Oberfläche. Leuchtend weiße Spaliere in Sein und Schein verdoppelt. Ähnlich, nicht gleich.

Ich rühre, am Rande stehend, mit meiner Hand das Wasser. Schwingung entsteht und Ruhe kommt in Bewegung. Die Schwingung wandert über den See, bricht sich, vereint sich wieder, überkreuzt sich, verstärkt sich, löscht sich aus. Und die Ebenbilder der Birken, am anderen Ufer des ehemals so ruhenden Sees, beginnen bald zu zittern. Erst leicht an den Spitzen, an den gespiegelten schlanken Kronen, und dann immer mehr. Immer weiter hinunter und fort. Die gespiegelte Phalanx beginnt zu schwingen. Hin und her und die erst so geraden weißen Stäbe werden zu gezackten, schnell gezogenen und sich immer wieder verändernden Tuschestrichen. Schreibübungen. Zeichenübungen. – – – Pulsschlägen.

Die Birken am Ufer bleiben davon unberührt. In Ihrer unverletzlichen Stille stehen sie da. Nur durch Ihr Spiegelbild scheinbar verbunden mit dem Geschehen auf der Oberfläche des Sees.

Das Große – auch das Größte – ist im Kleinen. „Wir“ sind die Spiegelungen der Seelischen Kraft auf ihrer eigenen Oberfläche. Geisterhaft. Materie. Von unermesslicher Kraft einmal gerührt, schwingen und schwingen wir in dem, was wir unsere Existenz nennen. Aber das, was wir „wir“ nennen ist nicht Substanz sondern nur Oberfläche. Das, was wir „wir“ nennen ist nicht Sein, sondern nur Spiegelung. Es sind nicht „wir“, die den See und die Birken geschaffen und die dann die Oberfläche des Sees gerührt. Es sind nicht „wir“, sondern es ist die Hand in der alles Schicksal ruht. Das Wir, das ewige Wir ist die ruhende Tiefe des Sees und der stille feste Grund, der den See trägt. Und Wir sind die Birken, die in diesem Grund tief wurzeln und die von ihm bedingungslos mit dem Wasser des Sees genährt werden. Wir sind auch das Wasser, das den Grund und die Birken erfüllt. Die Spiegelung, die bewegte, aber – ohne Dicke, ohne eigene Substanz – ist nur der Schein…

Aus welchem Grund wurde das Wasser vor Äonen gerührt? Hätte es nicht weiter ruhen können? – – – Ich weiß es nicht. – – – Der See, die Birken, der Grund und die rührende Hand… Sie waren vielleicht einfach da. Vielleicht musste die Hand den See rühren. Genauso, wie ich es heute machen musste. Vielleicht liegt darin der Sinn. Alles zusammen ist der Sinn. Spüre ich jetzt den Sinn? Im Kleinen den Großen? Der Spiegelung, der so bewegten, allein bleibt all dies verborgen.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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