Es ist eine körperliche Wahrnehmung. Rein körperlich ist ihr Ursprung. Der Druck der Gefäße von innen. Der Puls, dessen einzelnen Schlag ich als Vibration des ganzen Körpers spüre. Jedes Geräusch, jede Frage, jede Präsenz ist zu viel. Erzeugt ein zu viel an Wahrnehmung. Ein zu viel an Schmerz.
Was folgt ist Reizbarkeit, und hören die Wahrnehmungen nicht auf, dann folgt Wut. Das Pochen nimmt dann zu. Kommunikation ist schwierig. Der persönliche Ausdruck ist nicht sehr positiv. Noch mehr Schmerz. Trennungsschmerz. Einsamkeit. Daraus folgt: Noch mehr Gereiztheit. Innere Verzweiflung. Hass auf die Welt. Zerstörungswille…
Und all das ohne jeglichen Anlass. Seit Tagen betrachte ich diesen Zustand meiner Person. Von außen. Ich weiß, es gibt keinen Anlass. Und trotzdem kann sich mein Ich dieser Abwärtsspirale nicht entziehen. Und warum nicht? Weil der Körper den Druck, den pochenden Puls erzeugt. Würde der Druck gehen und der pochende Puls, dann wäre wieder Frieden. So einfach ist das.
Jeder kann da einmal schauen, wenn er wieder in Wut gerät: Wäre da nicht der Druck und der Puls, wäre man dann nicht wieder in Frieden?
Also entsteht die Wut, der Hass, die Gereiztheit, der Vernichtungswille gegenüber allem, was einem Schmerz bereitet – auch – anlasslos. Also rein aus dem Körper heraus.
Aber wer ist sich dessen bewusst? Der normale Mensch sucht sich den Anlass für sein Leiden in den Wahrnehmungen, die in ihm den Schmerz erhöhen. In den Geräuschen, den Worten, den Personen. Ihm wird nicht klar, dass das Leid zuerst da war. Und er ohne das bestehende Leid problemlos und offen mit den Geräuschen, Worten und Personen umgehen würde. Dass er in einem anderen Bewusstseinszustand handeln würde. Dass er in einer anderen Welt leben würde, als er es nun in seinem Leid, dem anlasslosen, tut.
Also ist Verstand und Körper ein einziges Ding. Stresst uns die Arbeit, dann bekommt der Magen Geschwüre. Erzeugt der Körper Druck und Puls, dann geht das Ich in Abwehr- und Vernichtungsmodus. Beides, Verstand und Körper, ist gemacht aus dem Irdischen.
Nun gibt es bei mir in dieser Sache noch zwei bemerkenswerte Aspekte.
Erst der Gute: Ich bin in der Lage diesen Zustand von außen zu betrachten. Nüchtern. Außerhalb der schwelenden Wut in meinem Körper-Verstandes-System. Ich bin bewusst. Ich weiß, dass es nicht an den Geräuschen, den Worten oder den Personen liegt, dass ich kurz vorm Explodieren stehe.
Nun der Schlechte: Obwohl ich bewusst bin, kann ich gegen diesen körperlichen Zustand nichts unternehmen. Nichts hilft. Und so ist dann auch die Verfassung meines Egos nicht veränderbar… Nicht mit meinen Mitteln. Ich reagiere gereizt und fühle mich getrennt von der Welt.
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass der Begriff „anlasslos“ nicht ganz richtig ist. Es gibt einen Anlass, einen äußeren Einfluss. Er wirkt nur nicht über die fünf Sinne auf uns ein. Es ist unsere Verbindung mit dem Kosmos. Es gibt eine materielle Schwingung – vielleicht ist es wirklich nur eine – auf der alles Materielle schwingt. Ich bin ihr gerade sehr stark ausgesetzt. Mein Vater schwingt auf ihr. Er hat mich in seiner Krankheit mit seinem Hass gerade sehr auf dem Schirm. Wenn das so ist, dann kommen, als Manifestation der selben Schwingung, wie aus dem Hut gezaubert immer auch unsere Vermieter ins Spiel. Genauso psychisch beschädigt. Das Haus soll verkauft werden. Sie beschäftigen sich mit uns. Andere Menschen im Leid suchen die Verbindung mit mir. Gerade jetzt. Und so schwinge ich auch in diesem Leid. Ohne jemanden von ihnen zu sehen oder zu sprechen. Oder gesehen oder gesprochen zu haben. Von der Angst der Menschen bzgl. des Corona- und Ukraine-Winters gar nicht erst zu sprechen. Wenn es mir schon so geht, wie geht es dann den Menschen in ihren noch nicht abbezahlten Reihenhäusern nebenan?
Und es bedeutet, dass der Großteil des Leides in unserer Gesellschaft von außen – ohne „Anlass“- auf die Menschen übertragen wird und sich wechselseitig verstärkt. Wie eine nukleare Kettenreaktion in einer Thermonuklearen Waffe, die irgendwann zur vernichtenden Explosion führt.
Der Hass in der Welt ist zuerst da. Und dann sucht sich der Verstand seinen Schuldigen. Die Nichtsfühlenden, die Alleshassenden haben dieses nukleare Feuer entfacht und es setzt sich nun durch den hoffnungslosen, kalten Materialismus über die ganze Menschheit fort. Würde der Druck und das Pochen in den Körpern der Menschen aufhören: Dann wäre ihr Verstand und somit die Welt in Frieden.
Wenn ich, der das erkennt, es schon nicht abschalten kann, wie sollen dann gute Worte wie „Reg Dich doch nicht so auf. Sieh die Sachen doch positiv.“ bei jemandem verfangen, der gar nichts weiß vom Ursprung seines flirrenden Gefühls?
Es gibt den yogischen Weg. Er zielt darauf ab, sich – dem höheren Selbst – Körper und Verstand dienstbar zu machen. Sie zu befreien von ihrem Irrweg. Nicht zu zu lassen, dass die Werkzeuge Körper und Verstand weiter Amok laufen, sondern dass sie sich in einem nutzbringenden Zustand befinden. Wahrscheinlich ist es dieser Weg, der von der Menschheit begangen werden muss. Ein Weg in integrierter Bewusstheit. Heraus aus dem Reflex der irdischen Kettenreaktion des Leides von Körper und Verstand.
Ich werde ihn mit mehr Ernsthaftigkeit beschreiten müssen. Kann ich doch nicht immer warten, bis sich alle im materiellen Leid Schwingenden wieder innerlich von mir abgewendet haben….
Nachtrag: Der yogische Weg ist der einzige Weg, den ich kenne, um uns von der Dominanz des Verstandes und des Körpers zu befreien. Nun weiß ich es.
Wer möchte, der schaut hier: https://innerengineering.sadhguru.org/