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Der große Zeh

„Es sind nur die Religionen, die ich ablehne.“ schrieb mir einmal eine durch ihre Kindheit im Kölner katholischen Umfeld zum Atheismus gebrachte junge Frau. „Spirituelle Menschen finde ich oft faszinierend. Ich beneide sie sogar ein wenig um ihre Gabe.“

Ich sagte Ihr darauf ungefähr Folgendes: Liebe Sabine, Spiritualität ist keine Gabe, die nur Auserwählten dar gebracht wird. Spiritualität ist ein natürlicher Teil eines jeden Menschen. Sie ist die Gabe eines jedes Menschen, die ihm von Geburt an mitgegeben worden ist. Von wem auch immer.

Spiritualität ist wie unser großer Zeh. In der Regel beachten wir ihn nicht. Er tut seinen Job meist klaglos und völlig unauffällig. Nur wenn wir einmal bewusst hinschauen oder ihn uns stoßen, dann bemerken wir ihn – bewusst. Aber auch sonst sind wir mit ihm immer verbunden. Wissen, ohne darüber nachsinnen zu müssen, dass er da ist. Bemerken seine Auswirkungen. Nämlich unseren stabilen Gang. Und nehmen das so hin. Ohne großes Großer-Zeh-Getue.

Nur gibt es eine globale Wahrnehmung, die die Existenz des großen Zehs verleugnet. Eine Weltanschauung, die meint, unser stabiler Gang käme allein aus unserem Verstand heraus und wir sollten doch alle zu dem Schluss kommen, dass es keinen großen Zeh gäbe und uns von dieser kindischen Vorstellung verabschieden. Wenn wir denn als erwachsene und aufgeklärte Realisten ernst genommen werden möchten.

Nun humpelt der Mensch, wie ihm gesagt, mit hoch geklappten großen Zehen unsicher durch die Welt. Tut sein Bestes, auf den großen Zeh zu verzichten. Diesen natürlichen Teil von ihm. Diese natürliche Gabe eines jeden Menschen.

Die Hohepriester dieser Doktrin – sie haben oft durch Geburtsdefekt keine großen Zehen oder sie wurden ihnen früh in ihrer Kindheit amputiert. Man kann ihnen keinen Vorwurf machen, dass sie denken, wie sie es tun – zeigen stolz auf eine Welt in Burn Out, Depression, Misstrauen, Lüge, Manipulation, Krieg jeder gegen jeden, Krieg gegen die Natur, Krieg gegen das eigene innere Wesen, Klimakatastrophe und gnadenloser Corporate Power um Macht und Besitz. Eine Gesellschaft im Wahnsinn. Im Selbstvernichtungsmodus. Voller Hass auf sich selbst und alles um sie herum. Und sie sagen: „Wir humpeln doch nicht! Wir schreiten voran auf dem Weg zum Höhepunkt der Entwicklung der Menschheit! Niemand braucht dieses Ammenmärchen vom großen Zeh.“

Liebe Sabine, wir hatten letzte Woche ein so ehrliches und vertrauensvolles Gespräch. Unter Fremden. Vertrauen ist eine Auswirkung von spiritueller Angebundenheit. Genauso wie der stabile Gang eine Auswirkung des Wirkens des großen Zehs ist. Nur wer verbunden ist mit seinem inneren Wissen – ob er es nun weiß oder nicht -, der kann vertrauen. Vertrauen ist Hingabe. Und Hingabe ist im Wissen um den Sinn, um die Einheit begründet. Der Verstand hingegen kennt nur zwei Modi: Nützt ihm jemand oder etwas, dann vereinnahmt und kontrolliert er es. Kann er es nicht vereinnahmen und kontrollieren, dann entfernt er es. Für ihn gibt es kein Vertrauen. Im besten Fall hat er temporäre Allianzen im für ihn alles durchdringenden Kampf ums nackte Überleben.

Aber Du kannst auch vertrauen. Und Dich hingeben. Du gehst also mit Hilfe Deines großen Zehs. Und wenn Du Deine „Gabe“ florieren lassen möchtest, dann lerne wieder bewusster aufzutreten, Dich wieder mehr auf den großen Zeh zu verlassen. Wenn Du das tust, dann wirst Du durch Dein Leben – schreiten. Leicht. Würdevoll. Frei. Voller Liebe zu Deinem Nächsten und zur gesamten Schöpfung…

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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