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Bleiben wir im Verstand, dann gibt es keinen Ausweg

Wie wäre es denn, wenn keine übergeordneten regulierenden Regeln mehr gelten würde, keine Gesetze? Wie wäre es, wenn die Ressourcen außerdem noch überaus knapp wären?

Mein Nachbar ist ein netter Kerl. Unter netten Umständen. Er ist ein Jäger und Waldläufer und ich spüre, dass er niemals kampflos jemandes Beute sein würde. Nicht die Beute eines Tieres, des Hungers oder eines Menschen. Was wäre, wenn alles knapp wäre und kein staatliches Gesetz mehr gelte und er vor unserem Haus eine eigenartige Bemerkung zu mir machte? Eine Bemerkung, die sich schwer einschätzen ließe. Die Misstrauen in mir erweckte. Einen seltsamen Satz nur und er ginge dann weiter. Was wäre dann? Ich würde ihm lange nachschauen, wie er den Weg hinunter geht und ich würde seinen Satz in meinem Kopf wägen und wiegen. Ich würde misstrauisch werden, denn er besitzt zwei Gewehre und will niemandes Beute werden. Ich würde eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung, dass ich nicht seine Beute werden will. Ich würde ins Haus laufen, ein großes Messer holen, ihm hinterher rennen und bevor er sich aufgrund meiner Geräusche umdrehen und sich verteidigen könnte, das Messer von hinten in den Rücken stoßen. Nur so könnte ich sicherstellen, nachts schlafen zu können und keine Sorge wegen seiner seltsamen Bemerkung haben zu müssen. Keine Angst vor ihm haben zu müssen. Nachdem ich ihn getötet hätte müsste ich schnell zu seinem Bruder laufen. Ich würde ihn mit dem gerade erbeuteten Gewehr am Frühstückstisch erschießen. Nur so könnte ich sicher seiner Rache entgehen. Danach ginge ich zu seiner Familie und würde auch diese töten. Auch sie könnte mir nun nichts mehr anhaben. Wäre ich ein entsprechender Typ, ich würde vielleicht seine Frau und Tochter schonen und – als meine Beute – mit zu mir nehmen. Die anderen Nachbarn würden es erfahren und bevor einer von ihnen auf dumme Gedanken käme, weil er wegen mir nicht nicht mehr ruhig schlafen könnte, spießte ich die Köpfe der von mir Getöteten vor meiner Hofeinfahrt für alle deutlich sichtbar auf. ‚Schaut uns an. Das passiert, wenn man sein Misstrauen erweckt‘, sagen sie. (geschrieben Anfang 2019… Und dann: 2020, Bannon, Ex-Berater von Donald Trump: Wenn er an der Macht wäre, würde er deren „Köpfe aufspießen“ und „sie an zwei Ecken des Weißen Hauses positionieren, als Warnung an die Bürokraten der Bundesregierung“. )

Ich würde nun ich gleicher Angst leben, wie ich es vor dem Mord an meinem Nachbarn getan habe. Nur nicht mehr in Angst vor ihm, sondern in Angst vor den anderen Nachbarn. Aber ich könnte sie vielleicht eine Zeit lang abgeschreckt halten. Die Schwachen unter ihnen. Sie könnte ich mir vielleicht nun sogar dienstbar machen in ihrer Angst. Ich wäre das Gesetz. Das Gesetz der Angst wäre nun in mir personifiziert. Wer mir willfährig ist, der müsste ein bisschen weniger Angst vor mir haben und ich würde ihm etwas dafür geben und irgendwann würde er glauben, dass er sich mit seiner Existenz selber diene. Aber er diente immer nur mir. Nach den Starken aber müsste ich dauernd forschend Ausschau halten. Jetzt hätte ich Gewehre und Menschen, die mir zu Willen wäre. Das machte es mir leichter als das erste Mal mit dem Messer.

Und irgendwann würde einer kommen, der viel, viel stärker wäre als ich und der viel mehr Männer und Gewehre hätte. Dann wäre es aus mit mir und meinem Reich der Angst. Er tötete mich und das täte er in jedem Fall aus Angst, denn ohne mich da schliefe er besser und je mehr er sich einverleibte, desto weniger entzöge sich seiner Kontrolle. So baute er einen neue Herrschaft auf, aber egal in welcher Form: Das Regime der Angst bliebe immer bestehen.

Die Lösung ist offensichtlich. Einfach, aber eben nicht leicht. Kann das menschliche Bewusstsein die Angst fahren lassen und die seelische Einheit wahrnehmen, die unendliche und ewige Liebe wahrnehmen, dann regelte sich die Welt von alleine, ohne dass Gesetze in Stein gemeißelt werden müssten oder dass Köpfe an Toreinfahrten aufgespießt werden müssten.

Aber so ist es kein Unterschied, ob ich aus Angst meinen Nachbarn hinterrücks töte – mit „Recht“ vielleicht sogar – oder ob wir aus Angst und zur Erzeugung von Angst tausende Seiten Gesetzestexte, Strafen und Gerichte und Gefängnisse (und Lügen) haben.

Es gibt keinen Unterschied, ob ich als Starker die Köpfe meiner Opfer zur Warnung aufspieße, mir das einverleibe, was mir gefällt und die Schwachen für mich arbeiten lasse auf der einen Seite und dem Geschehen in unserer Gesellschaft auf der anderen. Die Warnung an die Schwachen sind die vom System Zerstörten und die an ihm Gescheiterten – die vom System Verlassenen -, die soziale Ausgrenzung und das soziale Stigma der nicht ausreichenden Leistung und des zu geringen „Wohlstandes“. Die Fronarbeit wird einfach mit etwas Zuckerguss überschüttet. Das macht nicht satt, aber erst einmal entsteht ein Eindruck von Fülle. Nach den Starken wird immer noch Ausschau gehalten und wenn einer auftaucht, dann wird er mit den Waffen der Gerichte – und manchmal auch der Presse – mindestens mundtot gemacht und zur Strecke gebracht. So kann die Angst – nun nicht mehr personalisiert, sondern institutionalisiert – immer weiter bestehen, denn Angst bleibt Angst, Handeln in Angst bleibt Handeln in Angst und irdisches Tun bleibt irdisches Tun. Ob der Einzelne in Angst seinen Nächsten tötet oder ob ein System der Angst, den, der ihnen den Schlaf raubt, vernichtet, macht bezüglich der Angst keinen Unterschied. Die Angst ist nur kanalisierter und dosierter, da das System auch Angst vor seinen Individuen hat, die, wenn ihre Angst nicht kanalisiert und dosiert wäre, es zerstören würden. So dienen die Gesetze zum Selbsterhalt des Systems. So ist das System der Starke, der einschüchtern und kontrollieren muss, um seine Macht nicht zu verlieren. Um sein Leben nicht zu verlieren. Das System lebt also auch und hat den gleichen Überlebenswillen, wie der Mensch. Und über jenem ist kein irdisches Gesetz. Das System ist gleich meines hypothetischen Ichs in meinem obigen Beispiel. Es kann ungerichtet alles tun, um zu überleben. Es muss nur stark genug sein. Dann schreckt es auch andere Systeme und Staaten ab – oder vernichtet sie, wenn sie zu stark werden.

Solange wir nur auf den Verstand und seine Angst hören, gibt es keinen Ausweg. Alles wird das Gleiche bleiben, sähe es auch noch so anders aus.

Nur durch die Überwindung des Irdischen ist die Überwindung der Angst möglich. Erst wenn die irdischen Abschreckungsgesetze durch das eine ewige Gesetz „Liebe die göttliche Kraft und Deinen Nächsten wie Dich selbst“ ersetzt wird, kann etwas ganz neues entstehen. Etwas so neues, dass es sich der Verstand nicht einmal ansatzweise vorstellen kann. Solange der Mensch in Angst lebt, läuft etwas falsch. Egal, was ihm unter Verleugnung der Seele angeboten wird – so bunt und süß und schrill und verführerisch es auch erscheinen mag -, es ist nichts als harte, kalte und einsame Angst. Das gilt für Staaten, für Menschen und auch für Gedanken.

Es gibt eines, was den Menschen ausmacht und ihn von den Tieren unterscheidet: Er kann seine Angst ersetzen. Er kann sie ersetzen durch das Wissen um Gott, um die Einheit. Er kann das Göttliche wahrnehmen und so zu ganz neuen Formen des ÜberLebens gelangen. In Frieden mit der Welt. In Frieden mit den Pflanzen und den Tieren. Und in Frieden mit dem Nächsten und mit sich selbst. Der mit der ewigen Liebe verbundene Überlebenswille kann dies ermöglichen und zu einem die Schöpfung liebenden Lebenswillen werden. – Aber leider wird der Mensch bei uns von klein auf darin geschult, auf Angst mit dem Messer zu reagieren – und seine Beseeltheit zu vergessen.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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