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Wenn man Hunger hat

Wenn man Hunger hat. Wenn man Hunger hat und man bereitet das karge Mahl für alle vor. Das Mahl, von dem man weiß, dass es nicht sättigen wird und dass es das gewesen sein wird für den ganzen lieben und so verdammt langen Tag. Wenn man die Schwäche spürt und weiß, dass sie nicht vergehen, dass sie sich noch verstärken wird. Dann beschleicht einen vielleicht ein Gefühl. Ganz hinten im Kopf. Ganz verborgen und ganz leise. Und dieses Gefühl gibt einem eine – Option. Und man hält zwei Äpfel in der Hand und der eine ist minimal größer als der andere. Und man hat nun diese – Option. Diese – rein theoretische – Option, den größeren Apfel für sich zu beanspruchen. Dieses minimale Mehr an Energie für sich zu beanspruchen, damit der verdammt lange Tag minimal weniger verdammt hart werden muss. Damit man selbst minimal weniger leiden muss. Und der andere zwangsläufig – mehr.

Der eigene Schmerz ist dann so groß, dass er den des anderen nicht mehr wahrnehmen kann. So sind die Sinne auf den eigenen Schmerz fixiert. Das Bewusstsein steht ganz im Zeichen der materiellen Einsamkeit. Und der Verstand, das Überlebenswerkzeug, gibt uns eine – einsame – Option.

Wenn wir Hunger haben, da zeigt sich unsere Verfassung. Wenn wir Hunger haben, dann zeigt es sich, wie viel Seele und wie viel Materie in unserem Bewusstsein wirkt. Da sind wir erst wirklich geprüft. Da erst erkennen wir unseren Zustand. Und es ist der Schwächere, dem wir den größeren Apfel zu geben haben. Dem, der ihn nötiger braucht.

Welcher grauenvolle und unstillbare Hunger ist es denn, der die Menschen heutzutage, so vollversorgt und übersatt, so übersicher und beschützt, dazu bringt, immer und immer und immer den größeren Apfel mit aller Gewalt für sich – auf Kosten des schwächeren oder betrogenen Nächsten – zu beanspruchen? Woran mangelt es ihnen, dass der Hunger so gewaltig und unstillbar ist? Welche Todesangst ist das, die sie ganz auf ihre Materialität, auf ihren Überlebensinstinkt zurückfallen lässt? Eine rhetorische Frage, die ich nun nicht zum tausendsten Mal beantworte. Es muss doch langsam klar werden, was die Ursache des Schmerzes ist…

Auch wenn Du Dich mit Deiner warmen Bude, den kleinen Appetiten und den randvollen Kühlschränken großzügig zeigen könntest, Dich beweihräuchern, wie gut und gerecht Du doch bist und mit großer Geste sagst: „Nimm doch. Nimm! Schau. Mir bedeutet das alles nichts. Nimm soviel Du willst!“ Dann ist es doch der Hunger des Kapitalismus, der allem, was Dir zur Verfügung steht, zugrunde liegt. Jeder Apfel, den Du selbstlos verschenkst – und den Du selbst verzehrst: er wurde einem Hungernden gestohlen. Es ist nur Dein Glück, dass Du auf der Seite der besseren, der seelenloseren Stehler und Betrüger bist.

Und es ruht dann doch ganz hinten in Deinem Kopf das verborgene Gefühl mit einem wachen Auge. Denn es weiß ja, dass es nur zum Aldi oder Rewe gehen muss. Dass es nie ein Ende geben wird – wenn man nur nicht allzuviel gibt! Darüber wacht das ruhende Gefühl. Das Gefühl der verborgenen, immer wachsamen Angst. Ganz still und heimlich. Und darüber, über dieses Gefühl, diese immerwährende Angst und seine Folgen zu wachen, sind wir gefordert, um die Welt zu retten.

Der Hunger der Menschen ist ein anderer. Die Gaben des Kapitalistischen Materialismus können ihn nicht stillen. Das System wird immer in seinem Schmerz bleiben, immer Schmerz an den anderen verteilen, je nach Lage, je nach Position und Stellung des Spiels, denn es hat keine Antworten, die über die Zufügung von Schmerz und dessen Übertünchung hinaus gehen.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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