Die Tür in der gewaltigen Mauer in meinem Rücken ist mir nicht sichtbar. Draußen stehe ich. Ganz allein. Bin nur noch Körper. Fühle jede Zelle. Jeden Schmerz. Bin nur noch einsames Leid. Schwer bin ich mir mit meinem Körper. So starr ist er. So schwer und starr wie mein Gehirn. Mein Denken. Niemanden will ich sehen. Mit nichts mich beschäftigen. Ist doch mein eigener Schmerz ach groß genug. Hinweg mit allem anderen. Kein weiterer Gedanke über meinen Schmerz hinaus. Nicht auch noch fremden Schmerz. Augen zu. Wenn ich nichts sehe, dann kann mich auch nichts sehen. Ist die Welt für mich erloschen, dann kann sie mir nichts mehr tun. – Kinderdenken, hilfloses…
So bin ich hinein geraten in diese Wüste vor der gewaltigen Mauer. Hineingeraten durch eine innere Verbindung mit einem leidenden Menschen.
So sind so viele Menschen in dieser Welt. Gefangen in der Einsamkeit ihres Leides.
Will jemand ihr Leid auch nur durch ein kontroverses Thema vermehren oder scheint es auch nur so, mit gerunzelter Stirn werden die Augen fest geschlossen. Hört er nicht auf, dann muss er vernichtet werden. Kann man doch kein Quäntchen Leid mehr zusätzlich in sich aufnehmen.
Daraus resultiert die gerade gesellschaftsfähig gewordene Hetze gegen Menschen mit abweichenden Meinungen. Virus, Krieg, Klimawandel, Tempolimit,… egal, es wird brutalst möglich zugeschlagen. Kein weiterer Schmerz. Kein Quäntchen zusätzliche Einsamkeit. Totenstille, das ist die Erlösung. Kein kritisches Thema. Nicht noch eins. Das macht schon einer. Bestimmt. Ich bin zu schwach. Ich kann nicht mehr. Ichwillnichtmehr!
Apathie. Aufgabe. Starre. Die Starre des Kaninchen vor dem Fuchs. Nur erkennt das niemand. Es ist die Lähmung in abgrundtiefer Angst, vor dem was da noch kommen mag.
So stehe ich mit dem Blick gerichtet in die Wüste mit dem Rücken zu der Tür in der gewaltigen Mauer. Und ich erkenne mit Grauen: Die Menschen wissen nichts von der Tür. Sie schauen in die Wüste und für sie ist die Einsamkeit des Leides in der Wüste alles, was existiert. Sie sehen die Tür nicht, die ihnen allen offen stehen kann und durch die sie eintreten können in die Oase der ewigen Geborgenheit. Wo sie erfrischt und genährt werden. Selbstlos. Wo sie sein können ohne Leid und Angst. Wo sie gegen niemanden hetzen müssen und selbst nicht verhetzt werden.
Aber sie sehen diese Tür nicht. Nicht einmal die Mauer sehen sie. Sie sehen nur Wüste und sie fühlen nur Schmerz und sie hören nur den heißen Wind und sie riechen nur den Staub in Ihren Nasen und sie schmecken nur das Salz ihres Schweißes, ihres Blutes, ihrer Tränen…
So sehr in das Leid hinein ich mich begebe: Immer weiß ich von meiner Heimat hinter der Tür in der gewaltigen Mauer. Nur so kann ich es ertragen. Gehe ich durch die Tür, dann schließe ich die Augen nicht aus Müdigkeit oder aus Erschöpfung. Ich schließe sie in Frieden. Gehe ich durch diese Tür, dann kann mich die Unruhe meines Herzens nicht mehr dominieren. Was machen nur diese Menschen, die keine Heimat haben, als nur die in ihrem unsäglichen Leid?!