Das Konzept von Vergehen und Strafe, die Furcht vor Bestrafung, vor der Konsequenz, ist in einer materiellen Welt fest verankert. Daher fallen auch die religiösen Systeme immer wieder auf dieses Konzept zurück. Das vom Verstand dominierte Bewusstsein ist nur über die Androhung negativer Konsequenzen von seinen trennenden Handlungen abzubringen. Eben weil der Verstand, als dominierende Kraft und Werkzeug der Selbst-Erhaltung, auf nichts anderes reagiert und neben persönlichem Vorteil nichts anderes als Schadensvermeidung für sich im Sinn hat. Für dieses unerlöste Bewusstsein gibt es keinen Grund, nicht zum eigenen Vorteil zu töten, wenn es ohne negative Konsequenzen bliebe. Oder zu lügen, zu rauben, zu stehlen, zu wüten oder zu hassen. Nur die Androhung von Strafe – und die Angst vor Entdeckung und den darauf folgenden Konsequenzen – kann bei diesem Bewusstsein die Tat verhindern. So ist das Konzept der Strafe der erste Schritt, das unerlöste, vom Verstand dominierte Bewusstsein zu nicht trennenden Handlungen zu zwingen. Es zu selbst-losenHandlungen zu zwingen. Strafe ist der Versuch, den Selbsterhaltungstrieb zu nutzen um selbstloses Verhalten zu erreichen. Den materiellen Mechanismus zu seelischem „Handeln“ zu bringen. Dies geht nur über die Proklamation einer über allem stehenden und alles wissenden Macht, die bereit ist, auf Untaten Strafe folgen zu lassen. Diese Proklamation ist ein Hilfsmittel, eine Krücke. Denn bleibt es nur bei den Normen und ihrer Durchsetzung durch Androhung von Trennung, dann wird ausschließlich weitere Trennung zwischen dem Bedrohten und den Normen selbst erzeugt. Ein weiterer Schritt muss gemacht werden. Nur ist es ein Schritt, der nicht gemacht werden kann, sondern einer, der von alleine entsteht. Das letzte Ziel ist, das Bewusstsein von seiner Verstandesdominanz zu erlösen. Erst dann werden die bis dahin mit Strafe und Angst vor Strafe verbundenen Normen in ihrer Wahrhaftigkeit offenbar. Erst dann besteht kein Grund mehr für die Androhung von Strafe, weil das erlöste Bewusstsein, das nun mehr Einheit und weniger Trennung wahrnehmen kann, diesen Normen aus natürlichem Antrieb folgt und durch das seelische Wissen weiß, dass töten, stehlen, lügen, betrügen, hassen zu nichts anderem führt, als zur Verstärkung der Trennung. Dieses Bewusstsein weiß dann auch, dass die über allem stehende ewige Kraft nicht straft. Es weiß, dass das unerlöste Bewusstsein sich durch seine Handlungen selbst bestraft.
Die Androhung von Strafe sorgt im Idealfall dafür, dass der Verstand passiv wird. In seiner Passivität kann er Raum geben für die seelischen Wahrnehmungen. Diese erzwungene Passivität ist – zumindest anfangs – mit großem Widerstand verbunden und führt nur zum Ziel, wenn sie konsequent und ausdauernd – und später auch immer wieder – durchgesetzt wird. Zu diesen „Strafen“, die zur Passivität des Verstandes führen, gehören auch die gewaltigen Katastrophen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine persönliche Katastrophe handelt oder um eine Naturkatastrophe oder ob sie menschengemacht ist. Diese Katastrophe erschüttert den Verstand so in seinen Grundfesten, dass er mit seinem einfachen Schema keine Lösungen mehr finden kann. Er ist im Angesicht dieses all seine Vorstellungskraft übersteigenden Desasters bereit, aufzugeben. Er ist paralysiert. Er ist das Wild, das nach einer langen Flucht, endlich vom Löwen überwältigt, erkennt, dass die Jagd vorbei ist und ihm nun in Passivität und Starre die Kehle zum tödlichen Biss überlässt. Das sind die Momente, in denen manche dieser Menschen „Gott finden“. Der Verstand gibt auf, ist besiegt und die seelische Information kann frei im Bewusstsein fließen. Das Bewusstsein erkennt die Wahrheit.