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Kaufen! Kaufen! – Eine Pferdegeschichte

Die beiden Pferde stehen uns auf der Weide gegenüber, recken ihre Hälse über den Stacheldraht bewehrten Zaun zu uns hinüber. Wir halten ihre gewaltigen Köpfe. Spüren die Kraft, die weiche Kruppe, die Nüstern mit ihrem warmen Lufthauch auf unseren Händen. Schauen in die großen so tief ruhenden und sanften Augen. Minutenlang. Kontemplation.

Ein Landrover kommt angefahren. Wir treten zurück. Zwei Männer steigen aus. Der eine um die sechzig der andere über neunzig. Ein alter Mann. „Wir haben nur einmal geschaut.“ sage ich entschuldigend, auch mit einem Blick auf die Hunde. Sie liegen friedlich im Gras. „Sind die brav?“ fragt der Sechzigjährige. „Ja. Sie sind brav.“ sage ich. „Haben Sie Pferde?“ fragt der Alte. „Nein. Nein. Wir haben keine Pferde.“ entgegne ich lächelnd. „Kaufen! Kaufen!“ ruft er nun auffordernd. Ich lache irritiert und lehne ab. Wir verabschieden uns und gehen.

Kaufen! Kaufen!… War die Ankunft des Wagens mit den beiden Männern schon ein Bruch in der stillen Einheit unserer Begegnung mit den Pferden, so waren diese letzten Sätze des alten Mannes das Werkzeug, mit dem die gesamte Situation gnadenlos wieder in die Materialität zurück geschlagen wurde. Nie hätte ich bei diesen Wesen, deren Köpfe ich gerade noch in Stille hielt, an Kaufen denken können. ‚Aber sie sind Besitz.‘ Dies ist der andere Gedanke, der mir so sonst nie gekommen wäre. Besitz der beiden Männer, von denen einer, geschäftstüchtig und ohne ansehen unserer Person, bereit war, sie gegen Gewinn sofort und direkt an uns abzutreten… Um des Geldes willen. Einfach so. Solche himmlischen Wesen. Einfach mal eben so. Kaufen! Kaufen!

Nun sind einige Wochen vergangen und ich komme wieder an der Weide vorbei. Die beiden Pferde sind nicht mehr da. Das Gras steht hoch. ‚Vielleicht sind sie verkauft worden…‘ Nun hat man solche Gedanken. ‚Vielleicht haben sie ihren Besitzer gewechselt.‘ Und ‚Ob sie wohl wissen, dass sie Besitz sind? Ob sie wohl wissen, dass sie nun jemandes anderen Eigentum sind? Ob sie wohl überhaupt wissen, was Besitz bedeutet?‘

Wenn der Hengst eifersüchtig seine Stuten vor Rivalen verteidigt, dann möchte man vielleicht denken, dass diese Wesen doch etwas über Besitz wissen. Aber ich glaube nicht, dass es dabei um Besitz geht. Ich denke, es geht um Einheit. Um die Vollständigkeit eines Systems, das sonst nichts ganzes sein kann. Das eifersüchtige Besitzen des Menschen kennt keine wirkliche Einheit. Es ist raffsüchtige Einsamkeit. Und er bleibt in Einsamkeit, ob er die Pferde nun besitzt oder nicht.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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