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Gefallen ist Angst

Hier gefällt es mir! Das gefällt mir! – Wenn etwas anfängt, mir zu sehr zu gefallen, dann beginne ich, mich unwohl zu fühlen. Ich frage mich daraufhin: Möchte ich an diesem Ort, an diesem „Hier“, bleiben und nicht mehr gehen? Möchte ich dieses „Etwas“ nicht mehr missen? Soll es dann bleiben? Wenn ich diese Fragen bejahen muss, dann weiß ich, dass ich nicht mehr im Gleichgewicht bin.

Es ist ein eigenartiges Gefühl, dies zu erkennen. Wir Menschen sind es gewöhnt, die Tatsache, dass uns etwas „gefällt“, positiv zu bewerten. So soll es doch nach allgemeiner Lesart sein, dass wir uns in einem Umfeld befinden, in dem uns möglichst viel „gefällt“ und uns lieb und teuer ist. Ich aber bin alarmiert und spüre einen Trick darin, eine Verschleierung. Etwas hat sich verschoben, hat sich eingeschlichen. Ich erkenne, dass mir eine wichtige Wahrheit vorenthalten und ich geblendet werden soll. Es setzt dann bei mir ein Gegen-Reflex ein. Es ist wie der Atemreflex, der verhindert, dass wir uns durch Nichtatmen selbst ersticken können. Ich möchte dann alles, was ich besitze, abgeben, verkaufen, verschenken. All das Gerümpel, das man so „besitzt“. Sofort! Ich ersticke! Etwas läuft falsch! Bin ich vergiftet!?

Fühle ich daraufhin tief in mich hinein, dann erkenne ich, dass es die Angst ist, die mein Verstand geschickt in ein Gefühl namens „Gefallen“ umgewandelt hat. Diese Angst ist so heimlich in diesem Gefühl von „Gefallen“ versteckt, dass ich ganz genau schauen muss, um sie nicht zu übersehen.

Wenn ich etwas behalten möchte oder wenn ich nicht mehr gehen möchte, dann bin ich in einem Zustand in dem ich in meinem seelischen Wissen und meinem Vertrauen geschwächt bin. Es regiert dann die Angst vor dem, was kommen könnte, die Angst vor dem, was den Platz dessen, was ich gerade habe, einnehmen könnte. Die Angst vor dem Schicksal, das für meinen Verstand doch so grauenvoll, weil so vor ihm verborgen, ist. – Vielleicht „gefällt“ uns das, was wir haben oder wo wir sind, umso mehr, je kräftige das Schicksal gerade an unsere Türe pocht… je mehr es uns zu Veränderungen ruft.

Diese Angst ist Teil unserer unwissenden und einsamen materiellen Existenz. Sie resultiert aus unserem immerwährenden Schmerz der Trennung. Ich spüre in diesen Momenten der Innenschau, wie verlassen ich mich fühle. Und diese Verlassenheit, dieses Gefühl der Vereinzelung, bringt meinen Verstand dazu, Orte und Dinge zu „mögen“. Sie behalten zu wollen. Sie nicht verlassen oder gehen lassen zu wollen. Zu beharren und zu bleiben, wo man ist. Mit den Dingen, die man doch hat. Es ist doch schön hier! Es gefällt mir doch hier! Wer weiß was kommt, wenn ich gehe. Ich versperre mich dem, was kommt, reduziere meine Argumente ganz auf mich und meine Meinung alleine: Es gefällt mir doch hier! Warum sollte ich gehen? Dass es mehr gibt, was ausschlaggebend für mein Leben ist, als meine hohle persönliche Illusion des Gefallens, blende ich am Besten vollständig aus… Ich bin auf meiner seelischen Wahrnehmung taub und höre viel zu viel oder gar nur noch dem Verstand, dem Einsamen, zu. Und ich beruhige mich damit, dass anderen (Verständen) doch das gleiche gefällt wie mir. Wie soll das dann falsch sein?- – – Ich habe solche Angst vor dem was kommt! Ich fühle mich so alleine in dieser Welt! Wo ist mein Halt? Wo ist mein seelisches Vertrauen? Mein Wissen davon, dass alles seinen rechten Weg geht, wenn ich es nur gehen lasse? Warum höre ich meine seelische Stimme nicht mehr?Was wird sein, wenn ich sterbe?!

Das Pendel ist in einer solchen Situation von meinem seelischen Wissen und meinem Vertrauen hinüber in die Sphären der materiell dominierten Wahrnehmungen geschwungen. Dort empfinde ich zu viel Vereinzelung und zu wenig Einheit. Daraus entwickelt sich die Vorherrschaft der Angst, die mich beharren lässt und woraus sich das Gefühl des „Behaltenwollens“, die Starre, entwickelt. Es entsteht das Gefühl, welches mein Verstand – darin ist er gut – beschönigend „Gefallen“ nennt. Es ist ein Konzept, das zwangsläufig zu Starre und Beharrung führt. Zur Festigung in einem einzigen Punkt. In unserem einsamen Ego. Es ist ein Konzept genau in der Form, wie es unserem Verstand angenehm ist, der auch nur das weiß, was jetzt ist und der auch nur das in Erfahrung bringen kann, was hier ist und der nur das glaubt, was seine fünf begrenzten Sinne erfahren und was seine materielle Logik zu erfassen meint. Die Starre des „Gefallens“ hat ihre Entsprechung in seiner Isolation in Zeit und Raum. Deswegen mag der Verstand diese Starre, fördert sie und benennt sie so positiv als „Gefallen“. Auch derjenige, der die ganze Zeit um die Welt reist, von einem Ort zum anderen, von Zeitzone in Zeitzone: Tut er es, weil es ihm „gefällt“ und er nicht davon ablassen könnte, dann ist die Starre die gleiche, wie bei dem, der sich, in seinem Zimmer sitzend, von den kleinsten Gewohnheiten, Dingen und selbst Erinnerungen nicht trennen kann. Es gibt keinen Unterschied in ihrer beider Angst und ihrem geschwächten seelischen Wissen und Vertrauen.

Habe ich dies erkannt – schlotternd im Angesicht meiner nun entschleierten Angst – dann schaue ich frierend, was mein Pendel so in diese Richtung geschwenkt hat und bitte darum, dass es wieder in die Mitte zurückkehren darf…dass mein seelisches Wissen mir wieder Wärme und Licht spenden darf… dass ich wieder wissen darf um unsere Geborgenheit in der seelischen Einheit…

Uns allen „gefällt“ natürlich immer irgend etwas. Das Beharren und das ängstliche Festhaltenwollen ist Teil unseres materiellen Aspektes. Wären wir ausschließlich seelische Existenz, dann bestünde unser Empfinden nur noch in der Einheit und nichts wäre überhaupt mehr da, woran wir unser Herz hängen müssten oder auch nur könnten. Deswegen: Uns gefällt immer irgendetwas in unserem Leben. Es gibt immer etwas, was wir nicht abgeben, von dem wir nicht weichen wollen. Dies ist so, weil wir eben Menschen sind und als Menschen stehen wir immer im Spannungsfeld zwischen Verstand und Seele. Das heißt: Die Angst ist immer ein Teil unserer menschlichen Existenz. Unser tiefsitzendes, in uns unauslöschlich angelegtes Gefühl der materiellen Einsamkeit und unser Versuch uns im Strudel des Daseins an irgendetwas dauerhaft festhalten zu dürfen, ist Teil unseres materiellen Seins, ist Folge der Isolation unseres Verstandes in Zeit und Raum. Es soll so sein. Aber die Angst – das „Gefallen“, das Beharren – braucht seinen Ausgleich im seelischen Wissen und im Vertrauen. Darauf sollten wir achten – – – und uns vielleicht öfter fragen, warum wir beharren und nicht gehen lassen können. Die Antwort „Weil es mir – hier – gefällt!“ trifft es eben nicht, greift bequem zu kurz und verschleiert nur den wahren Kern. Wir könnten dann versuchen, hinter die Worte und hinter die Gedanken zu schauen… hinter das, was uns unser Verstand glauben machen will und dann die angstvolle Kälte durch das seelische Licht ersetzen.

Was „gefällt“ mir nicht alles! Nehmen wir dieses Buch. Ich sollte, jetzt wo ich es gerade schreibe, bereit sein, dass alle Manuskripte verbrennen und es von allen meinen Computern unwiederbringlich verschwindet. Ich müsste bereit sein, es gehen zu lassen, wenn das Schicksal es so will… Aber es würde mir nicht leicht fallen. Ich möchte dieses Buch, das der Ausdruck von etwas ist, das ich über viele Jahre empfangen durfte, nicht einfach gehen lassen. Jetzt, wo ich es schreibe, habe ich mehrere Kopien dieses Textes. Also bin ich in diesem Punkt ohne Vertrauen und in Angst, dass zum Beispiel ein Computerfehler diesen Text vernichten könnte. Ich beharre in meiner persönlichen und hohlen Meinung, dass dieser Text nicht verschwinden darf, weil er mir etwas bedeutet und weil er mir „gefällt“. So bin ich in diesem Punkt so verloren allein und sollte doch eigentlich so vertrauend geborgen sein… Aber Vertrauen ist eine schwere Übung für uns Menschen. Vor allem, wenn wir das, dem wir Vertrauen sollen, nicht mit unserem Verstand erfahren können… Auch ich bin immer und immer dabei, dies zu üben… jeden Tag aufs Neue.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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