.

Ein Kieferntraum

Der Lehrer der Heiler stand vor einer gewaltigen Kiefer. Sie war mindestens dreißig Meter hoch. Doch zusätzlich zu ihrer Größe schwebte sie mit ihren Wurzeln zwei bis drei Meter über dem Boden. Der Kiefer erschien dies anscheinend als eine angenehme Position. Sie hing schön senkrecht, gehalten von nichts, bequem in der Luft. Sie glaubte nicht, dass daran etwas falsch sein könne.
Da berührte der Lehrer der Heiler die riesige Kiefer mit seiner Hand an ihren Wurzeln und drehte sie sanft und mühelos um ihren mittleren Angelpunkt zur Seite. Die Krone der Kiefer stand nun auf 10 Uhr und die Wurzeln standen nun auf 4 Uhr. Auf einmal war die Position für die Kiefer alles andere als bequem. Es war für sie ein Gefühl, wie es uns bekannt ist, wenn wir uns im Sportunterricht auf den Rücken legen und dann einige Minuten die Beine vom Boden anheben mussten. Es wurde schwerer und schwerer. Die Schwerkraft zog und zog. Und wir durften nicht ablassen. Wir waren gezwungen, in dieser schmerzhaften und unnatürlichen Haltung zu verharren. Wir zitterten und schwitzten und bissen unsere Zähne zusammen. Wir litten.

Jetzt kann man sagen, der Lehrer der Heiler hätte die Kiefer doch einfach wie gehabt in der Luft hängen lassen können. Die Kiefer hat doch vielleicht recht gehabt, mit ihrer Ansicht, dass dies eine ideale und bequeme Position sei. So hängend, zwei Meter über dem Boden mit den Wurzeln. Nur ist es so: Wäre die Kiefer in ihrer natürlichen Position gewesen, zehn Meter im Boden tief verwurzelt – genährt und getränkt von der Erde -, nicht im Nichts hängend, sondern aus eigener Kraft senkrecht stehend: Nichts und Niemand wäre in der Lage gewesen, sie mit einer so leichten Berührung der Hand in eine solch verzweifelte und schmerzhafte Position zu bringen. Es hätte keinen Angelpunkt gegeben, der dafür hätte genutzt werden können.
Da die Kiefer dies nicht glauben wollte, hat der Lehrer der Heiler es sie selber spüren lassen, wie instabil ihre Haltung im jenem Moment war. Und wie kurz von da aus der Weg vom Angenehmen zum Leiden sein kann, wenn man lieber in der Luft schwebt und sich um seine Verwurzelung nicht kümmert.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

Der Inhalt dieser Webseite darf zu nicht kommerziellen Zwecken unter Angabe der Webadresse im Zusammenhang frei verwendet werden. Kontakt könnt Ihr gerne über info@omkarnath.de mit mir aufnehmen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner