22. April. Es ist Earth-Day. Und seit heute morgen hat man uns das Wasser abgestellt. Sanierungsarbeiten am Rohrleitungssystem. Die Straße ist aufgerissen worden. Ein Notfall. Wir wurden vorher nicht informiert. Da stand ich heute um sieben Uhr vor dem Wasserhahn: Kein Zähneputzen, kein Duschen, kein Kaffee, kein Frühstücksbrei. Ein schlechter Geschmack im Mund, fettige Haut, verklebte Augen, plötzlich – Durst. Aus dem geöffneten Hahn klingt nur eine gewaltige, hohle Leere. Nichts. Kein Wasser…
Jetzt ist es Mittag und ich bin bereits angepasst. Manchmal gluckert es in der Leitung. Dann muss ich schnell sein: Schnell ein Gefäß unter den Wasserhahn gestellt und das tröpfelnde Rinnsal reicht für einmal das Gesicht waschen, einmal Zähneputzen oder für einen Kaffee… Wie sorgsam man jetzt mit seinem Schatz umgeht. Keinen Tropfen will man verschwenden. Da spült man keine Tasse mehr achtlos aus. Denn niemand weiß, wann das Rinnsal das nächste mal fließen wird. Wann wir den Segen des Wassers wieder dankbar empfangen und genießen dürfen..
So ist das am Earth-Day. Ein kleiner Vorgeschmack – noch abgesichert durch den nächsten Supermarkt und seiner absurd großen Auswahl an stillen Wassern – von dem, was woanders grausame Realität ist und was uns und unseren Kindern einmal drohen wird. Mit dem Topf das letzte versiegende Rinnsal Wasser auffangen… Eine besondere Erfahrung.
Heute ist Earth-Day. Und Sadhguru fährt 100 Tage durch 24 Länder, um die Erde und besonders den Mutterboden zu retten. Vielleicht sollten mehr Menschen bei uns einmal vor abgrundtief leer gähnenden Wasserhähnen sitzen. Es ist eine praktische Erfahrung dessen, was noch kommen wird und was woanders bereits bittere Realität ist.
Wer Durst hat, der steht auf und handelt. Vielleicht gelingt uns das – freiwillig, aus innerer Einsicht und ohne Durst – bevor die Verdurstenden der Welt es tun. Vielleicht schaffen wir es, aus unserer machtvollen Position zum Wohle aller zu handeln, bevor die Verhungernden und Verdurstenden der Welt in ihrer Hilflosigkeit und ihrem unendlichen Leid nur noch im Überlebenstrieb rasen können.