Im Alter von gerade 22 Jahren und einem Monat war ich am 23.12. des Jahres auf meinem Motorrad auf dem Weg von meiner damaligen Freundin zu meinen Eltern. Bepackt mit Weihnachtsgeschenken, in Erwartung eines hoffentlich einigermaßen besinnlichen Weihnachtsfestes. Es handelte sich bei dem Motorrad um 240 kg pure Unvernunft der Marke Yamaha, das mich mit einer infernalischen Geräuschkulisse in etwa 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h bringen konnte und mit seinen 120 PS erst bei 245 km/h zu Beschleunigen aufhören wollte. Ich gebe es zu: so einer war ich mal. Und entgegen allen Vorurteilen gegenüber Motorradfahrern: Ich war ein netter, zuvorkommender und rücksichtsvoller Verkehrsteilnehmer! Und mich erfüllt immer noch eine kindliche Freude, wenn ich an dieses wirklich sehr, sehr weltliche Ding aus japanischer Produktion denke! So wahnsinnig, es zu fahren ,wäre ich jetzt allerdings nicht mehr. Was für ein Unsinn! – Es war kalt an jenem Tag und da es gegen 19 Uhr war auch bereits sehr dunkel. Da ich mein Motorrad mindestens genauso sehr liebte wie meine Freundin, wollte ich den kalten Motor auf der kurzen Strecke Autobahn schonen und fuhr im höchsten Gang „nur“ 150 km/h.
Ich überholte einen LKW und als ich auf halber Höhe war, zog dieser auf meine Fahrspur. Ich führte eine Gefahrenbremsung durch, das Motorrad überschlug sich wegen des blockierenden Vorderrades, Funken flogen, ich schlug auf den Asphalt auf und überschlug mich wieder und wieder und rollte und rollte, so dass es mir wie eine Ewigkeit erschien. Als ich endlich liegen blieb, stand ich auf, wunderte mich, dass dies noch ging und schaute – in völliger Finsternis auf der Überholspur einer Autobahn stehend – dem LKW nach. Als ich endlich seine Bremslichter sah und erkannte, dass er rechts ran fuhr, war ich beruhigt. Einer musste den Schaden ja bezahlen! Dann setzte ich mich an den Grünstreifen der Mittelleitplanke der Autobahn. 10 Sekunden darauf donnerte ein Audi mit enormer Geschwindigkeit auf der Fahrspur, auf der ich eben noch ganz versonnen, dem LKW nachschauend, gestanden hatte, in das noch einige hundert Meter weiter vorne liegende Wrack meines Motorrades. Ich glaube, das war der Zeitpunkt, an dem ich anfing, laut um Hilfe zu rufen.
Meine Verletzungen sind schnell aufgezählt: Die rechte Seite ein einziger Bluterguss. Das rechte Schlüsselbein gebrochen. Das Schlüsselbein ist ein Knochen, der wohl auch brechen kann, wenn man unglücklich gegen einen Türrahmen stolpert. Das wars. Dem Audi-Fahrer ist übrigens auch nichts passiert. Ich habe ihn später noch kennenlernen dürfen. Acht Wochen später marschierte ich mit dem Geld der Versicherung in der Tasche in den nächsten Motorrad-Laden.
Was fällt einem dazu ein: WELCH EIN UNGLAUBLICHES GLÜCK!
Mir fiel damals ein: „Du hast einen verdammt schnellen Schutzengel gehabt…“ und dieses Datum wurde zu meinem zweiten Geburtstag.
Dies war der Zeitpunkt, an dem ich wieder eine Ahnung bekam, dass es mehr gibt als man uns gemeinhin weis machen will. Dass dieser glimpfliche Ausgang mit etwas zusammenhängt, das nicht in der uns bekannten dinglichen Welt zu finden ist. Dass Kräfte ,oder wie auch immer man es nennen will, steuernd und beeinflussend auf uns einwirken. Ja sogar die Ahnung, dass es vielleicht gar einen Plan geben könne. Es war ein tiefes, abgründiges und unsagbares Wissen, das ich spürte. Das Auftauchen dieses Schutzengels auf diese nur in seiner Wirkung wahrnehmbaren Weise, war ein wunderbares Gefühl. Es war eine Wiederkehr. Die Wiederkehr einer Kraft, die ich zuletzt als Kind gespürt hatte.
Diese Schutzengel (oder Kraftwesen oder wie auch immer man diese jenseitigen Begleiter auch nennen möchte) haben wir alle. Zumindest als Kinder. Und als Kinder können wir sie auch sehen. Es sind die unsichtbaren Begleiter und Freunde. Es sind die Tiere, die beim Einschlafen noch ans Bett kommen. Es sind aber auch die Wesen im Schrank oder unter dem Bett, die den Kindern Angst machen. Ich erinnere mich rückblickend an beide Arten. Und auch an das Fallen, wenn man die Augen geschlossen hatte und einem Wesen unterschiedlichster Art erschienen. Manche erfreulich, die meisten furchteinflößend.
Wie im letzten Kapitel dargestellt, verlieren wir in unserer materiellen Erziehung diesen Kontakt und unser weit geöffneter Seelensinn schließt sich wieder.
Diese geöffnete und ungefilterte Seelenwahrnehmung, die uns als Kindern zu eigen ist, meint Jesus, wenn er sagt, dass den Kindern das Himmelreich gehöre. Und was die daoistischen Weisen meinen, wenn sie sagen „ein Säugling kann schauen ohne zu blinzeln, er kann schreien ohne heiser zu werden und er kann greifen ohne loszulassen, weil er des Friedens Fülle und des Weges Einheit hat.“
Als Kinder gab es für uns noch keine Aufteilung in Gut und Böse und richtig und falsch und erwünscht oder unerwünscht. In Ding und Nicht-Ding. Ich glaube, dass das auch die Art ist, in welcher der erste Mensch die Welt gesehen haben muss. Er öffnete die Augen mit dem beginnenden Bewusstsein und alles war für ihn als ein Einziges sichtbar. Er trennte nicht zwischen Geist und Ding, zwischen Reh und Seele, zwischen Wald und der für ihn klar da liegenden jenseitigen Welt. Der Verstand diente vielleicht dazu, den Feuerstein anzuspitzen. Die Jagd wurde mit der Seele vorbereitet. Der Hirschgeist und der Waldgeist wurden angerufen, doch eines seiner Kinder für die Menschen zu opfern, damit auch sie leben konnten und ihnen wurde gezeigt, wann und wo sie diesen Hirschen finden würden,.(an der Biegung… am Fluss…… in Drei Tagen…..) Und sie gingen hin und nahmen ihn als Nahrung. Diese Art der Verbindung und des Gebetes funktionieren heute immer noch. Nur in unserer Kirche lernen wir es leider nicht mehr….vor lauter Buße und Schuld. Und Schuld ist etwas sehr, sehr weltliches… Die Einheit der Seele kennt keine Schuld.
Meinen dritten Geburtstag hatte ich 16 Jahre später an einem 30. November. Nach einer Zeit des Vergessens und des Eintauchens in die Welt der Dinge und ihrer Mechanismen und eines Lebens in Unklarheit und viel Verwirrung – da half auch alles Geld, das ich als Ingenieur verdiente, nichts, mit dem ich so oder so nichts „sinn“-volles anzufangen wusste – wurde mir mein Seelen-Sinn brachial geöffnet. Nichts war mehr wie es vorher war und mir wurde klar, dass diese Kraft nur darauf gewartet hatte sich mir wieder zu zeigen. Dass sie nie weg war, auch, wenn ich über ein Jahrzehnt nicht mehr an sie gedacht hatte.
Ich glaube, dass dies bei jedem Menschen so ist. Unsere Beseeltheit werden wir nicht los. Sie ist ein Teil von uns. Und diese beseelte Welt ist immer bereit, sich uns zu zeigen. Uns wieder aufzunehmen, wenn wir es nur wollen.
In vielen Kulturen – alten, vergangenen, aber auch heutzutage noch existierenden – besteht der Glaube (besser: das Wissen) um die Beseeltheit aller Dinge. „Aller Dinge“ bedeutet wirklich aller Dinge. Vom Stein über die Pflanze, das Staubkorn, die Luft, das Feuer, das Fahrrad, die Boeing 747, das Atomkraftwerk und – natürlich auch der Mensch. Ich durfte einmal erleben, wie tuvinische Schamanen bei einer Segnungszeremonie auch die Autos der Angereisten nicht ausgelassen haben und diese – natürlicherweise ebenfalls als beseelt angesehen – gesegnet haben.
Nun springt bei einigen Lesern vielleicht der scharfe Verstand ein und meldet (innerlich versteckt voller heimlicher Freude, einen Fehler entdeckt zu haben oder selbstgerecht kopfschüttelnd ob solch eines naiven und wenig durchdachten Geredes): „Bei einem Stein oder Menschen oder einer Pflanze kann ich das ja noch verstehen. Aber ein Auto oder Flugzeug – die bestehen doch aus wieder einzelnen Teilen wie Rädern, Motoren, Geschwindigkeitsmessern, Schrauben, Nieten, Blechen usw. Muss dann nicht alles einzeln beseelt sein oder ist durch das Zusammenfügen der Einzelteile eine neue große Seele entstanden und was ist dann mit den vielen einzelnen Kleinen geworden oder wie oder was? Wie soll ich mir das denn vorstellen? Das ist doch unlogisch! Und auch bei Pflanze, Stein und Mensch: Die bestehen doch aus Molekülen und die aus Atomen und die wiederum aus Elementarteilchen! Sind die dann alle einzeln beseelt (heimlich etwas hämisch lächelnd, weil er den Autor so schön argumentativ in die Ecke gedrängt hat bzw. professoral streng und Rechtfertigung fordernd über seine halbe Intelligenz-Lesebrille blickend)???“
Was soll ich nun erwidern? Ich könnte sagen: „Ich weiß. Ich weiß doch, wie Du tickst. Ich habe jahrelang als Ingenieur gearbeitet. In der Computerbranche! Ich kenne Dich. Und Du ermüdest mich so mit Deinem leeren, spitzfindigen Gerede. Alle Deine Fragen waren mir von vornherein klar. Du überrascht mich nicht. Gedenke Deiner Sterblichkeit und ob es in dieser kurzen Lebensspanne nicht anderes zu sagen gäbe.“
Aber erst einmal möchte ich etwas anderes erzählen:
Ich habe einmal eine Talk-Sendung (auf einem der – wie es hieß – seriösen Kanäle) gesehen, in der die deutsche Frau eines kurz zuvor verstorbenen indianischen Medizinmannes versuchte, spirituelle Heilung in Worte zu fassen und mit dem uns verfügbaren Wortschatz und Bezugsrahmen den Anwesenden nahe zu bringen. Die anderen Teilnehmer waren ein Arzt und ein Physiker. Die Frau hatte von Anfang an nicht den Hauch einer Chance. Alle wussten es. Nur sie nicht. Ich war entsetzt, mit wie viel Häme und auch fast schon hasserfüllter Aggression dieser Frau seitens der Wissenschaft (des Verstandes) begegnet wurde. Was sie sagte wurde auf dem Altar des logischen Verstandes seziert, zerteilt, zerpflückt, seiner Einheit beraubt und dann nackt und wehrlos der Lächerlichkeit preis gegeben. Mir kommen jetzt, wo ich es schreibe nach Jahren noch die Tränen ob der grauenvollen Behandlung dieser es so gut meinenden Frau. Die Verstände der beiden Herren klopften sich die ganze Zeit über selbstgefällig und -verliebt auf ihre Schultern. Die Talkmasterin tat ihr übriges.
Die Sprache, die uns zur Verfügung steht, ist die über Jahrhunderte geschliffene Waffe des Verstandes. Perfekt entwickelt, um materielle, logische, von Ursache-und-Wirkung bedingte dingliche Aspekte auszuformen und völlig ungeeignet, die Aspekte der Ewigkeit, Einheit und Unendlichkeit unserer jenseitigen seelischen Existenz zu beschreiben. Wer es trotzdem versucht muss plump und dumm und naiv und lächerlich erscheinen. Er ringt nach Worten und kann doch nicht sagen, was er wirklich meint. Im „Tao te King“, einem jahrtausende alten daoistischen Klassiker, heißt es zu dieser anscheinend sehr alten und kontinent-übergreifenden Problematik: „Mühsam einen Namen suchend, nenne ich es ‚Groß‘!“ Lao Tse – der historische Autor dieses Textes – sucht hier ein Wort für das Namenlose, für das was jenseits der Schöpfung liegt und alles umfasst. Es ist nicht ‚Groß‘! Es ist das völlig falsche Wort! Er weiß das, aber er findet keinen besseren Begriff. Der Begriff ‚Groß‘ liegt hunderte Millionen Milliarden Meilen daneben. Aber näher kommen wir (und er) mit unserer Sprache nicht dran. Und wenn wir dann reden, dann können die Hüter des Verstandes – leise lächelnd ob ihren nahen Sieges – bereits ihre Messer wetzen.
So komme ich zurück zu unserem analytischen Verstand aus dem zweiten Absatz dieses Kapitels und erwidere ihm: „Die Welt ist nicht so einfach wie sie Dir scheint. Deine Vorstellung, mit den dir zur Verfügung stehenden fünf Sinnen die gesamte Wahrheit erfassen zu können ist geprägt von einer naiven und selbstüberhöhten Verblendung. All Dein Wissen verliert seine Gültigkeit im ganz Kleinen – das ihr nicht versteht. Und im ganz Großen – das ihr auch nicht begreift und nicht überblicken könnt. Bei dem, was dazwischen ist, scheint mir, habt Ihr irgendwie auch noch Wissens-Lücken groß wie Scheunentore. Eure ganze Mathematik beruht auf sogenannten Axiomen. Das ist das Fremdwort für unbeweisbare Annahmen.
So beruht Eure unumstößliche Wahrheit auf Annahmen und den beschränkten Wahrnehmungen Eurer Sinne in einem Bereich, den Ihr vorne und hinten nicht einmal ansatzweise versteht. Und das blendet Ihr Wahrnehmungskünstler einfach erfolgreich und hundertprozentig aus und behauptet die Welt, die Ihr wahrnehmt läge in ihrer Gänze glasklar vor Euch! Dafür habt Ihr wirklich meinen immer wieder völlig verblüfften Respekt!
Ich kann Dir nichts beweisen. Alle Vorstellungen des Jenseitigen und der Seele sind in den verschiedenen Kulturen in unterschiedlichen Bildern und Worten und daraus resultierenden Darstellungen erwachsen. Sie münden aber alle in einem Bereich, den Du nicht wahrnehmen kannst und der deinem Vorstellungsvermögen in letzter Wahrheit verschlossen bleiben muss. Leider liegen spätestens dort Deine Grenzen, so dass es vergeblich wäre, würde ich mich nun auf eine Erwiderung Deiner Argumentation einlassen.
So geht es nicht um Deine logischen Spitzfindigkeiten und meine unlogischen Ausführungen. Es geht eher darum, dass Du mit Deiner Sprache nicht zu mehr als logischer Spitzfindigkeit in der Lage bist und ich mich mühsam dieser völlig unzureichenden Sprache und Vorstellungswelt bedienen muss, weil mir nichts besseres zur Verfügung steht, um mich Dir auf diesem einfachen Niveau mitzuteilen.
Könnten Du und Deine Verstandeskumpane nur einmal Eure fünf Sinne beiseite lassen und Euch nur einmal mit unserem Seelen-Sinn verstehen und austauschen, dann wären viele spirituelle Seminare nur Minuten lang. Vielleicht bräuchten sie gar nicht stattzufinden! Es bräuchte dieses Buch nicht und ich müsste nicht nach Worten ringen um Dir etwas begreiflich zu machen! Alles ist auf Seelenebene bereits gesagt und verstanden. Es gäbe nichts mehr, was man dem anderen mitteilen müsste. Die Erkenntnis wäre umfassend, so dass kein Wort mehr nötig wäre.
Und das ist keine esoterische Illusion. So etwas geschieht. Das in unserer Welt prominenteste Beispiel ist sicher Saulus, der zum Paulus wurde. Er hat mit einem anderen Sinn gehört und er hat es auf einer anderen Ebenen alles begriffen.
So ist Dein Einwurf mit den einzelnen Seelen und der Beseeltheit des Lenkrades und des Gaspedals des Autos völlig bedeutungslos, da dieser Diskurs nur in Dir, dem Verstand, stattfindet.
Also rate ich Dir: Erkenne erst einmal, dass Du nichts weißt (Ich nehme mich da nicht aus. Ich weiß ebenfalls nichts.). Lerne Demut den Ansichten anderer gegenüber. Du weißt eben nicht, ob sie richtig oder falsch sind. Nimm das, was ich sage an als etwas, was durch den Ausdruck in Deiner Sprache oft und in vieler Hinsicht unzulänglich und unlogisch erscheinen muss….und denk nicht so viel drüber nach.
Was ich mitteile hat nicht den Anspruch, logisch zu sein. Es ist jenseits der Logik. Es ist sogar jenseits der Worte. Auch, wenn Dir das grauenvoll vorkommen muss. Im Gegenteil: Ich machte mir eher Gedanken, wenn Du in meinen Worten etwas finden würdest, was Deinem Verstandesdenken entspricht. Dann wäre ich von dem, was ich mitteilen möchte wohl sehr weit abgekommen. Wenn Du es nicht verstehst und wenn es Dich verwirrt: Dann ist es gut! Erfahre es selbst oder es bleibt Dir nur der Glaube – oder der Zweifel.
Ich wünschte mir, ich könnte mit Dir schweigen und Du würdest erkennen. Oder Dir alles sagen mit nur einem einzigen Ton von meinen Lippen. Dann könnten wir gemeinsam weinen, ob der Vergeblichkeit Deines bisherigen Strebens.“
Punkt.
Nach dieser Brandrede kehren wir zum ersten Absatz dieses Kapitels zurück, in der Hoffnung unseren logischen, zweiflerischen und immer nur das scheinbar fehlerhafte suchenden Verstand ein wenig bekehrt oder wenigstens ein wenig verwirrt haben, so dass uns nun etwas Zeit bleibt, ungestört über unsere Beseeltheit zu sprechen („fabulieren“ würde der Verstand es wohl nennen).
Bleiben wir doch beim sogenannten Schamanismus. Ich sage „sogenannt“, weil das Wort „Schamanismus“ ein wissenschaftliches Wort ist, dessen Funktion nur der Erschaffung einer Schublade dient, in die klein gestückeltes „Wissen“ von der einen Art gepackt wird, um dieses Wissen gegen das Wissen einer anderen Art abzugrenzen und eine Trennung und Aufteilung zu vollziehen. Genau das, was wir im Kapitel mit dem Titel „Seele“ nun wirklich nicht wollen. So sei trotzdem „wissenschaftlich“ aber doch noch einmal angemerkt, dass „Schamanismus“ laut Lehrbuch nur in Sibirien existiert, während ähnliche Techniken in Südamerika oder anderswo dem „Pseudo-Schamanismus“ zuzuordnen sind… Ich spare mir dazu jetzt jeden weiteren Kommentar. Ich wollte nur, dass Sie das einmal lesen.
Bleiben wir also beim sogenannten Schamanismus. Es ist ein – nennen wir es – Weg. Ein Weg, der mir etwas bekannt ist und über den ich ein wenig weiß. – – – – – – Ich sitze jetzt bereits 10 Minuten vor dem blinkenden Cursor meines PCs und frage mich die ganze Zeit, was ich eigentlich weiß und was ich nun dazu schreiben soll…
Nun. Diese Beseeltheit aus dem ersten Absatz dieses Kapitels hat Ihre Wurzel dort, wo sie sie auch nach Ansicht unserer christlichen Weltreligionen hat: Im Jenseits.
Nun erscheint das Jenseits vielen Kulturen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten immer ein wenig anders. In das christliche kommen wir erst nach der Auferstehung, in das buddhistische erst nach vielen Inkarnationen und dann auch nur, wenn man im Sterbeprozess gut aufpasst (ich kennen mich da nicht so gut aus. Man belehre mich da gerne eines besseren. Aber so habe ich es einmal verstanden). In anderen Kulturen fährt die Seele direkt zu den Ahnen auf und wird nicht wiedergeboren. Nehmen wir nun den sog. Schamanischen Ansatz – den ich als sehr wahr empfinde. Das Jenseits ist immer gegenwärtig. Es ist vielleicht, je nach kultureller Ausprägung, aufgeteilt in eine obere, mittlere und untere Ebene (ohne eine Wertung über gut und schlecht, anders als es bei uns mit Himmel und Hölle üblich ist) oder viele hundert Ebenen, auf denen die Seelen, Götter und Geister (auch Seelen) residieren. Die mittlere Ebene ist immer die Ebene auf der auch wir als körperliche Wesen existieren. Und diese verschiedenen Ebenen kann der Schamane „bereisen“. Das heißt, er kann die Verstandesherrschaft für einen kontrollierten Zeitraum ablegen bzw. dämpfen und seinen Seelen-Sinn öffnen. Wie wir es als Kinder konnten! Ich nenne es Seelen-Sinn im Gegensatz zu den fünf verstandes-kontrollierten Sinnen. Somit nimmt er auf einmal das wahr, was sich – den meisten Religionen zufolge – in der Ewigkeit und der Unendlichkeit befindet. In der Zeitlosigkeit. Dort ist es ihm möglich, Zukünftiges in Erfahrung zu bringen, zu Heilzwecken vergangene Situationen aus dem Leben seiner Clienten aufzusuchen und zu schauen, was im jenseitigen Aspekt unserer mittleren Welt – also der Welt, in der auch unsere Körperlichkeit existiert – im Argen liegt. Mal sehr klar und mal auch in sehr verschlüsselter symbolistischer Form. Es ist dort wie in den Träumen, in denen ja auch die Seele auf Reisen geht und im Jenseitigen herum streift. Was sie an Erinnerungen und Wahrnehmungen mitbringt ist oft nicht für unser dingliches Vorstellungsvermögen geeignet. Es ist Herausgenommen aus einem Bereich der Raum- und Zeitlosigkeit. Wie sollte unser Kopf das auch erfassen können. So dass das, was wir erinnern nur angenähert an das Erlebte sein kann. Das Wahrgenommene wird dann in etwas ähnliches, irgendwie vom Gefühl, der Situation oder Wahrnehmung irgendwie passendes Bekanntes gepackt. Manchmal ist es aber auch sehr konkret.
Da dies aber kein Buch über schamanisches Heilen ist, möchte ich hier nicht weiter ins Detail gehen. Nur soweit, dass ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es wahr ist. Dass ich mich als Zeuge verbürge, dass ich diese Dinge gesehen habe, in so konkreter Schauung, dass ein künstliches Herbeigeschwurbel in der Art von „…ich habe eine Wiese gesehen.“ – Ja, Ja, ich bin früher oft an Wiesen vorbei gekommen!“ , nicht nötig war. Es ist oft detailreich und konkret. Es ist Vergangenes und auch Zukünftiges. Für mich war damals die Erkenntnis dieser Wahrheit umwerfend. Ich war daraufhin so wütend auf unsere Verantwortlichen in der Politik oder sonst wen Verantwortlichen, dass uns dieses Wissen um unsere Beseeltheit und die jenseitige Welt einfach vorenthalten wird. Dass dies nicht bereits im Kindergarten gelehrt wird, damit die Menschen alle wieder ganz werden können!
Nun mag dem Leser jetzt vielleicht klar werden, da wir auch hören, wenn wir nicht richtig zuhören, dass wir sehen, wenn wir auch nicht richtig hinschauen, dass wir dann ja auch über unseren Seelensinn wahrnehmen, ohne es uns bewusst zu sein. Und so ist es. Dieser Sinn nimmt dort wahr, wo für unseren Verstand die nun oft aufgezeigten Grenzen liegen. Und diese Wahrnehmungen wirken auf uns. Im Buddhismus existiert die Frage, warum nicht jeder seine Seele (dort ist es der natürliche Geist. Es ist mit unserer Vorstellung der Seele nicht richtig vergleichbar. Für diesen Gedankengang geht es aber) bzw. seinen natürlichen Geist wahrnehmen kann. Eine Vermutung ist: Er ist zu groß um wahrgenommen zu werden. Eine andere ist: Er ist zu klein um wahrgenommen zu werden. Mir scheint beides richtig. Mir scheint es, dass das Jenseitige alles durchdringt, wie in der schamanischen Anschauung auch die dingliche (mittlere) Welt von der Jenseitigen Ebene durchdrungen und beseelt ist. Das alles um uns herum voller jenseitig-seelischer Gorilla-Aspekte ist, die unser Verstand, weil er es nicht fassen, begreifen und einordnen kann, einfach ausblendet.
Und dass die Wahrnehmung so klein und still ist. So leise und dezent. So ohne Klang und Ton. So wie alle Mystiker es beschreiben. So, wie es alle, die in die Wüste und die Einöde gingen, fanden: die spirituelle, die seelische Erkenntnis ist in der Leere, ist in der Stille. Nun frage ich: Was ist das, was heutzutage nicht mehr ertragen wird? Die Stille. Was ist das Wertloseste (und vielleicht auch angst einflößendste) in unserer Gesellschaft? Die Leere. Das Nichts. Und genau da ist alles zu finden. Das Wissen ohne Worte. Die Erkenntnis der Einheit ohne zu Wissen. Und wie viel Stille könnte um uns sein, wenn wir es zuließen! Wie viel könnten wir dann auf Seelenart in Seelensprache an Seelenwissen erlangen. Es ist traurig.
Eine Clientin kam einmal zu mir und sagte, ich hätte einmal gesagt, dass Leere und Nichts gut seien. Nun hätte sie sich einen wunderschönen kleinen Ahnenaltar errichtet. Mit Fotos und Figuren und Kerzen und alten Andenken. Wenn Sie davor säße fühle Sie aber nichts. Und das fände sie nicht gut. In ihrer Beurteilung war das Nichtsfühlen also immer noch schlecht bzw. nicht erwünscht. Ich habe mehrere Tage dieses Gespräch nicht aus dem Kopf bekommen und mich immer wieder gefragt, ob sie nicht doch für sich persönlich recht hätte. Und Sie dann angerufen und Ihr gesagt: „Ich bleibe dabei! Es ist gut! Nimm es an. Fühle diese Leere als einen Freund. Sieh nichts Negatives mehr darin. Tief in dieser Leere ist etwas und es ist die Einheit. Auch bei Dir! Öffne die Schublade deines Verstandes auf der steht ‚Leere ist schlecht!‘ Schütte sie aus und sei dankbar, dass Dein Verstand Dir nicht auch noch ein zuckersüßes spirituelles Gefühl vorgegaukelt hat, um Dich ruhig zu stellen. Nimm Dir die Zeit und urteile nicht zu früh! Sei dankbar, dass Du die Leere spüren kannst.“
Sie hat den Freund und die Kraft der Einheit in der Leere und Stille entdeckt.
Wäre die Leere und Stille nicht wertlos für uns, was könnte man erfahren, wenn man sie erfahren könnte.
So sind wir eigentlich immer jenseitige Wesen. Immer verbunden mit diesem zweiten Aspekt unserer Existenz. Wir müssen den Tod gar nicht fürchten. Er bringt uns eigentlich nichts Neues. Nichts was wir nicht auch jetzt erfahren könnten.