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Der so ängstliche und sterbliche Schöpfer

Das reißende Gebiss und die schnellen fliehenden Beine dienen nur einem Zweck: Der eigenen Existenz und der der Nachkommenschaft zeitliche Dauer zu verschaffen. So ist es bei den Tieren und so war es ebenfalls einmal bei den Menschen. Mit dem Unterschied, dass der Mensch als Werkzeug zum Überleben keine starken Zähne oder flinken Beine, sondern seinen – scharfen – Verstand hatte.

Als der Mensch noch frei von Besitz war, bestand seine einzige Sorge darin, dass sein Körper und die Körper seiner Sippe unversehrt blieben. Das war in der Regel schnell erledigt. Die Unterkunft war ein Blätterdach, gejagt wurde direkt um die Ecke und der Platz war so gewählt, dass er minimale Gefahren barg. Kamen Raubtiere, dann musste man flüchten – und / oder sterben. Nichts, was 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche bedacht werden musste. Der Verstand war aktiv, wenn es notwendig war und das war bei weitem nicht die meiste Zeit. Die göttliche Kraft der Natur sorgte dafür, dass das Wasser floss und die Nahrung in tierischer und pflanzlicher Form gedieh. Es herrschte überwiegend Friede.

Doch dann entdeckte der Mensch das „Mehr“ und begann, sich in Dingen zu manifestieren. Er weitete seine Person aus. Auf Landbesitz. Auf ein festes Haus. Auf die Ernte. Später auf ein Dorf. Dann auf einen Staat. Und auf Einstellungen und Ideologien.

Konnte er früher die Sorge um das Gedeihen der Nahrung der Natur überlassen und sich von ihr beschenken lassen, so lag plötzlich die Aufgabe des Gedeihens bei ihm selbst. War er früher an Orten mit den für ihn passenden klimatischen Bedingungen und zog mit den Jahreszeiten, so musste er, der das Paradies verlassen hatte, nun mit Feuer und festem Haus selbst für lebenserhaltende Umstände sorgen.

Dem Menschen, dem all das, das Land, die Ernte, das Haus, genommen würde, dem würde ebenfalls das Leben genommen. So wurde der Mensch zum sterblichen und ängstlichen Schöpfer seiner Umwelt. War es früher nur sein eigener Körper, um den er sich wenige Stunden am Tag und in gefährlichen Ausnahmesituationen sorgen musste, so muss er sich nun 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche um seine eigene Schöpfung sorgen, von der er sich abhängig gemacht hat. Das Land, die Ernte und das Haus sind ein Teil von ihm geworden. Ein Teil, der aber über keinen eigenen Lebensfunken verfügt und den er immer und immer – künstlich – am Leben erhalten muss. Er hat sich selbst neu geschaffen – und kämpft nun jede Minute um sein Überleben, weil er dafür um das Überleben von so vielen von ihm geschaffenen Dingen kämpfen muss, die er gar nicht mehr überblickt.

Weil er sich materiell und räumlich so ausgeweitet hat, sieht er sich von überall her bedroht. Sogar die Kraft der Natur, die Beschenkerin aus früheren Zeiten, ist nun für ihn zu einem tödlichen Gegner geworden, die in seinen Augen seine lebensnotwendigen, zerbrechlichen und empfindlichen Schöpfungen zerstören will. Da er nicht mehr in der Lage ist, in den Schoß Gottes zurück zu kehren, den er so fahrlässig verlassen hat, glaubt er, dass Gott nicht existiere. So denkt er, dass es nur ihn selbst als ängstlichen und sterblichen Schöpfer seiner Welt gäbe – und der Überlebensinstinkt mit seinem Werkzeug, dem Verstand, als einziges dem Menschen bekanntes Mittel, auf das er immer und immer wieder in letzter Instanz zurückfällt, ist völlig außer Kontrolle.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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