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Das Haus mit nur einem Eingang

Die Vorstellung, dass sich die Erkenntnis der Welt alleine durch die Wahrnehmungen der uns bekannten fünf Sinne erschöpfen ließe, ist bei etwas genauerer Betrachtung nicht einsichtig.

Mir drängt sich das Bild eines Menschen auf, der ein ihm fremdes Haus betritt, im Flur stehen bleibt und nun folgendes behauptet (aus voller Inbrunst und bereit diese „Tatsache“ mit aller ihm verfügbaren Kraft zu verteidigen und vielleicht dafür andere Menschen vor Gericht oder ins Gefängnis zu bringen oder vielleicht sogar Schlimmerem zuzuführen): „Da ich dieses Haus durch diese Tür betreten habe, kann es in diesem Haus keinen anderen Ein- oder Ausgang geben. Der Vorgang des Betretens und Verlassens dieses Hauses wird durch diese Tür gewährleistet. Da dies so ist, ist sie der einzige Zugang im ganzen Haus.“ Dies klingt absurd. Aber genauso sieht es der Mensch der materiellen Wissensgesellschaft. Da er nur seine fünf materiellen Sinne kennt, gibt es per definitionem auch keine weiteren, durch die Eindrücke oder Erkennen in ihn eindringen können.

Wenn der Mensch aus unserem Haus-Beispiel dann vielleicht Mäusen im Flur begegnet oder Ameisen oder Fledermäusen, so wird er (mit oben angeführter Inbrunst) sagen: „Da die Tür, durch die ich hier eingetreten bin, eine Klinke hat und ein Schloss und einen Schlüssel, ist es nicht möglich, dass diese Wesen (Mäuse,…etc.) durch diese Tür eingetreten sind. Sie hätten sie nicht öffnen können.“ (Damit hat er ja unbestreitbar recht. Aber jetzt kommt’s!) „Da es aber keine anderen Ein- und Ausgänge in diesem Haus geben kann (weil ich das behaupte), handelt es sich bei diesen Tieren um Produkte meiner sehr regen Phantasie – vielleicht ausgelöst durch ein hormonelles Ungleichgewicht oder ererbte Schädigungen meines Gehirns. Ich sollte einen Arzt aufsuchen!“ So sieht der Mensch, der in der materiellen Welt verhaftet ist, Wahrnehmungen, die er nicht seinen fünf Sinnen zuordnen kann. Sie existieren nicht. Und wenn, dann nur als Hirngespinst in der eigenen Phantasie. Oder sie werden direkt zu einem Gorilla-Mann: Obwohl sie brusttrommelnd vor ihm stehen, werden sie einfach aus der Wahrnehmung gestrichen, da sie nicht mit den Erkenntnissen der fünf materiellen Sinne vereinbar scheinen.

Selbst, wenn dieser Mensch im Hausflur versucht wäre, vor seinem Arztbesuch doch noch der Ursache dieser Erscheinungen ein wenig nachzugehen: Er suchte nur nach etwas, das seiner Vorstellung von einer Tür entspräche. Mit Klinke und Schloss und Schlüssel und Scharnieren. Eine Tür eben, die für diese Wesen geeignet wäre. Vielleicht hat er eine Mini-Tür vor Augen. Mit kleiner Mini-Klinke und so weiter… Er sieht nicht das Mauseloch. Er sieht nicht den Riss im Mauerwerk, den die Ameisen benutzen. Er sieht nicht die Poren im Gestein und im Putz, durch die die Mikroorganismen hereinkommen, die ihn auch – auf unsichtbare Weise – beeinflussen. Er sieht nicht einmal das offene Fenster, durch das die Fledermaus ein- und ausfliegt. Er sucht die TÜR. Und die TÜR ist NICHT DA! So kommt der materiell geprägte Mensch nicht weiter. Selbst, wenn er versucht wäre, seinen Hirngespinsten doch noch eine Chance zu geben (und sich dabei innerlich ziemlich blöde vorkommt): Er muss und wird immer den materiellen Maßstab ansetzen. Er wird immer von der Voraussetzung der verrinnenden Zeit und des begrenzten Raumes ausgehen… um dann nirgendwo anzukommen. Sein Denken wird immer materiell bleiben. Voller Schlüssen über Ursache und Wirkung. So ähnlich uns als Leser das Mauseloch und die Haustür doch in unserem Beispiel scheinen: wenn man nach Klinken, Schlössern und Scharnieren sucht, könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

Wir schauen in den Himmel und unsere Mathematiker, Stochastiker, Astronomen und wer weiß, wer noch alles, berechnen, dass unsere Erde vielleicht gar nicht so einzigartig ist und dass es viele, viele Planeten wie unseren im sichtbaren Universum geben könne.

Ich bin kein Wahrscheinlichkeitsrechner, aber mir scheint es doch möglich – wenn man den Blick einmal wendet – vielleicht eine Wahrscheinlichkeit dafür zu berechnen, dass unsere fünf bekannten Sinne nicht unbedingt den vollständigen Kanon unserer Wahrnehmungen darstellen müssen und folglich nicht dazu ausreichen, alles über diese Welt in Erfahrung zu bringen und wahrzunehmen.

Wie wahrscheinlich sollte das denn auch sein, wenn zum Beispiel Tiere, die im Dunkeln leben, keinen Sehsinn mehr besitzen? Der blinde Höhlenfisch sagt bestimmt – würde man ihn fragen: „Ich habe alle Sinne, die es mir ermöglichen, die gesamte Welt VOLLSTÄNDIG zu erfassen. Euer Gerede von Farben und Gesichtseindrücken ist gefährlicher Humbug. Geht schnell zum Arzt!“

In welcher Dunkelheit sitzen wir denn vielleicht und welche Sinne haben sich bei uns schon zurückentwickelt und geschwächt? Die Anzahl der Sinne, über die ein Wesen verfügen kann, scheint ja – im Hinblick auf den beispielhaften Fisch – durchaus veränderbar zu sein. Nun sind dies Spekulationen, die nur unseren Verstand betreffen und anregen. Die letzten Erkenntnisse liegen nicht im Erforschen dieser Dinge. Aber ich wollte diesen Aspekt einfach einmal anführen. Vielleicht bringt es den Verstand etwas zum Nachdenken. Und macht ihn weicher und nachgiebiger.

Die Idee einer Wahrscheinlichkeitsberechnung ist nur als Hilfe gedacht. Eine Krücke quasi. Für den Menschen der Wissensgesellschaft ist es doch schon ein Anfang, wenn er etwas zwar nicht weiß, aber doch auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit – eine Möglichkeit – zurückgreifen kann. Die reine Möglichkeit von weiteren Zugängen zum Haus anzuerkennen und somit die Existenz von im Haus befindlichen Mäusen, Ameisen und Fledermäusen nicht kategorisch abzutun, ist ein Schritt. Viele haben ihn gemacht und sind dabei stehengeblieben! Bei der reinen Möglichkeit. „Aber es könnte doch möglich sein!“ „Ich glaube daran. Aber manchmal habe ich dann doch irgendwie meine Zweifel.“ „Aber möglich ist es doch!“

Bei Wahrscheinlichkeiten sind wir weiterhin in der materiellen Welt; der Welt des dinglichen Wissens und – des – ZWEIFELS.

Wer weitergehen will, muss seine Vorstellungen von Türen über Bord werfen.

Und die Mauselöcher und die Risse in der Wand finden.

Es hilft nichts. Wir kommen nicht daran vorbei. Tief im Innern wissen wir das. Und der Beweis, der das Mögliche zu Wissen werden lässt, ist leider kein Beweis der dem Verstand genügen könnte. Es ist dummerweise ein Seelen-Beweis.

Man kann sagen: „Dadurch, dass das Mauseloch da ist, weiß ich, dass es da ist.“ Vielleicht sogar umgekehrt: „Dadurch, dass ich weiß, dass es da ist, ist es da…“ (Ein gefundenes Fressen für den Verstand: „Also doch: Hirngespinst! Ab zum Doktor!“ – Das kann er nicht begreifen. Das geht nur auf Seele-Art und Weise).

So etwas genügt dem Verstand, der nur Türen mit Klinken sieht, niemals. „Er sagt: „Es gibt kein Mauseloch. Es gibt nur Türen mit Klinken und….so.. weiter….“ Aber mehr ist es nicht. Wer das Mauseloch gefunden hat, erkennt die Wahrheit des Satzes vom Anfang dieses Absatzes. Ich kann nicht müde werden, es zu betonen, damit gar niemand erst anfängt, über diesen Satz mit seinem Verstand zu grübeln: Der Finder erkennt es auf Seelen-ArtundWeise.

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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