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„Da hilft kein Bio. Und auch kein beten!“

„Da hilft kein Bio. Und auch kein beten!“ das sind die abschließenden Worten von Detlef bezüglich einer in unserer Wohnung vorliegenden Rohrverstopfung. Zwei Spitzen eines verdeckten persönlichen Angriffs. Es ist das Ende einer mit viel Druck vorgetragenen Belehrung (ein Rohr ist ein Rohr!), deren unterschwelliger, unausgesprochener Subtext uns deutlich machen sollte, dass Typen wie wir kein Gefühl für das Eigentum anderer hätten und es nicht die Aufgabe einer Gebäudeversicherung sei, für von uns verursachte Schäden aufzukommen, denn ‚das Gebäude ist daran nicht Schuld!‘, sondern wir, denn uns ist das alles scheiß egal. – Eine interessante Erfahrung, einmal wieder Mieter zu sein.

Dass wir durchaus verantwortungsvoll mit Eigentum umgehen können, wir bereits seit dem Einzug vor zwei Jahren mit dem Abfluss kämpfen und eine Gebäudeversicherung sehr wohl in solche Fällen für den Schaden aufkommen kann, spielt für ihn keine Rolle. Detlef, Ende 50, zwei Meter groß, 120 Kilo schwer, selbständiger Unternehmer, immer in Angst, unterlegen zu sein, ist einer der Brüder einer sechsköpfigen, zerstrittenen, wohlhabenden Erbengemeinschaft und durch seine örtliche Nähe zum geerbten und von uns bewohnten Haus dazu verdonnert, sich um uns betreffende Fragen zu kümmern. Von einer seiner Schwestern wissen wir, dass er das Haus am liebsten entmietet hätte. Also uns potentielle Störenfriede los wäre. Präventive Schmerzbegrenzung.

Warum schreibe ich das? Ach ja: beten! Es stimmt. Er hat recht. Beten allein hilft bei einer Rohrverstopfung nicht. Die Verstopfung ist etwas Ruhendes. Und das Gebet erzeugt Ruhendes. Damit eine Wirkung erzielt werden kann, muss das Ruhende aber angeregt werden. Das Gebet allein sorgt eher dafür, dass wir bereit sind, die Verstopfung anzunehmen und zu belassen.

Ausschlaggebend ist der Punkt: ‚das Gebet allein‚. Das Gebet, soll es helfen, setzt nicht beim Haarknäuel im Rohr an. Es setzt beim Akt der Beseitigung der Verstopfung an. Es lenkt die Handlung. Es entscheidet, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll. Hasserfüllt, wie Detlef mit seinem Industrie-Hochdruckreiniger. Oder in einer bewussteren friedlicheren Art. Vielleicht auch trotzdem mit der massiven Kraft einer Hochdruckreinigers. Aber anders. So wie man Bäume so oder so fällen kann und trotzdem immer eine Säge benutzt.

Bio hilft wahrscheinlich nicht. Da hat Detlef wohl auch recht.

Detlef fährt einen schwarzen Defender. Mit Axt und Spaten seitlich am Dachgepäckträger angebracht. Hinten prangen zwei schwarze Flügel (kein Scherz, wirklich wahr) aus Kunststoff. Der gefallene Engel. Für Detlef ist die Welt eine Hölle, in der jeder dazu verdammt ist, um sein Überleben zu kämpfen. Beten hilft da nicht. Glaubt er. Ihm ist nicht klar, dass das Gebet viele Formen hat und das es die Welt durchdringt. Und dass, würde dieses Gebet verschwinden, nichts mehr übrig bliebe. Dass, wenn das Fundament der Hingabe, der Liebe, der Annahme, der ewigen Weisheit, der nährenden Mutter verloren wäre, er nichts anderes tun würde, als hinter den vernagelten Fenstern und Türen seines Hauses, mit der Axt in der Hand und in hasserfüllter Angst, auf den Tag zu warten, an dem der Stärkere kommen wird, der zwei Meter Dreißig Mann, mit 180 Kilo, – und ihm den Kopf abschlägt.

Das ist dann die wirkliche Hölle. Die seelenferne Existenz in einer seelenlosen Welt. Diese Hölle hat Detlef bereits in sich selbst verwirklicht.

Außerhalb von ihm aber wirkt das Seelische noch. Er muss ihm nur die Hand reichen. Dann spürte er wieder ihre Geborgenheit spendende Wärme. Dann kann er zurück kehren aus seinem Jahrzehnte währenden Alptraum.

Er hat eine Frau. Sie reines Gebet. Sie hält ihn am Existieren. Nicht seine Massivität in Wort und Tat. Und er weiß es. Und er verdrängt es. Bedeutete die Anerkennung dessen doch, dass er auch an sich etwas verändern müsste. Dass sein halber Blick auf die Welt nur bequem und gleichzeitig absolut fehlerhaft ist. Solange er sich aber zufrieden gibt mit dem Hass und dem Kampf gegen seinen Nächsten, wird diese Rückkehr in seinem Inneren nicht passieren. Solange er noch der Angst den Vorrang vor dem Wissen gibt, bleibt er in seinem höllischen Alptraum gefangen.

Ich glaubte früher auch, dass Leute, die etwas ’nach oben abgeben‘, einfach keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen wollen, dass sie passiv in ihrem Leben sein wollen. Dass sie Traumtänzer sind, Die die schonungslose Realität nicht anerkennen wollen. Das war falsch. Ich habe das nicht richtig verstanden. Ich habe nicht verstanden, dass ‚abgeben‘ bedeutet, die Entscheidung nicht vollständig dem Verstand zu überlassen, sondern das seelische Wissen maßgeblich mit in die Entscheidung einfließen zu lassen. Ich konnte das damals nicht verstehen, dachte ich damals doch, es gäbe nur den Verstand. Und so hat ‚abgeben‘ für mich in meiner Unwissenheit über die wahren Verhältnisse bedeutet, in Passivität nichts zu tun. Wie gesagt: Mit der Ansicht lag ich ziemlich daneben…

Niemals darf der Schmerz uns leiten. Unser Handeln erwächst aus dem angstlosen Wissen um unsere Geborgenheit im Sinn, um unsere Beseeltheit und um die ewige Einheit von allem. Wir handeln immer in Liebe zu allem und jedem. Es existiert keine innere Trennung. Niemals darf der Schmerz allein uns leiten.

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